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§. VIII.
Entstehung eines zweifachen Rechts in D.
So hatte man in den deutschen Reichsgebieten
ein zweifaches Recht: I) alle Staaten hielten sich an
das gemeine Recht, a) sie hielten sich an die recipir
ten Rechte und b) die Reichsgeseze; aber II) jedes
Territorium, (Land, Stadt, Markt) hatte wieder sein
Partikularrecht, in welchem jeder Staat das rein deut
sche Recht, (freilich so wie es sich bei ihm ausgebil
det hatte) aufbewahrte.
§. IX.
Vortrag dieser Rechte.
Wollte der Jurist eines einzelnen Landes sich blos
für sein Land bilden, so wäre für ihn nur ein ge
wisses Studium seiner Landesgesezgebung (in ihrer Er
gänzung durch das vollständige classische römische Recht)
nothwendig. — Der ehrwürdige Geist unsrer deut
schen Universitäten aber, welche nicht als, bloße Lan
des=Bildungsanstalten betrachtet werden sollten, ver
langte den Vortrag der Rechte auf die Art, wie
sie in ihrer Allgemeinheit für ganz Deutschland ge
kant sein müssen, damit jeder auf diese Art allge
mein Gebildete mit Leichtigkeit das einzelne Recht des
Landes, in welchem er Richter ist, kennen lerne und
richtig ausübe. So erkannte man die Nothwendigkeit
eines umfassenden Vortrags über das gemeine Recht,
bei welchem das römische Recht Grundlage war, und
die durch canonisches und Reichsrecht bewirkten Ab
weichungen genannt wurden. Da man jedoch dadurch
nur das fremde Recht kennen lernte, neben diesem aber
noch eine große Masse von Rechten in Deutschland
vorkömmt, welche einheimischen Ursprungs sind, so
mußte auch ein umfassender Vortrag auf dies Recht
sich beziehen a).