33
jetzt noch ist, voraussichtlich in jedem Falle der Laie über Rechts
kränkung klagen würde.
Anderseits ist der oberste Gerichtshof gewiß unter allen Justiz
behörden noch am Ersten geeignet, über advocatische Interessen
eine Entscheidung zu fällen, da doch seine sonstigen Entscheidungen
einer Anfechtung im Rechtswege nicht unterliegen. Ueberdieß darf
man annehmen, daß auf dieses wohlbedächtige Richter=Collegium
in einem solchen Falle die vorausgegangene gewichtige Entschei
dung der Advocatenkammer nicht ohne Einfluß bleiben wird.
3. Die volle Freizügigkeit gibt dem Advocaten das Recht,
seine Praxis im ganzen Territorium des Gesetzes, aus dem er
geprüft ist, auszuüben. Diese Berechtigung ist eine nothwendige
Consequenz des Grundsatzes der freien Advocatur. Wenn die Aus
übung der Advocatur nur bedingt ist durch den Nachweis der
Befähigung, so muß auch das Recht der Ausübung so weit gehen,
als die Befähigung reicht. Nur Zunftrücksichten oder der Wunsch,
die Freiheit der Rechts=Vertheidigung zu schmälern, könnten eine
Beschränkung der Freizügigkeit veranlassen.
4. Die Reform der Advocatur wird erst ihren Abschluß
finden mit Einführung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit
in allen Zweigen des gerichtlichen Verfahrens.
Es ist anderweitig hinreichend erörtert worden, welch segens
reichen Einfluß diese Institution auf das Rechtsbewußtsein des
Volkes, auf die Verläßlichkeit und Würde der Rechtspflege übt.
Dem Advocaten verbürgt sie mit der Möglichkeit, seinen
Beruf unter den Augen des Richters und der streitenden Theile
selbst auszuüben, zugleich die Achtung und das Vertrauen dieser
Personen selbst für den Fall, wenn seine Bemühungen der Erfolg
nicht krönt.
Während wir nun Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des
Gerichtsverfahrens für den Schlußstein im Neubau unserer Standes
Verhältnisse erkennen, glauben wir doch, diese Institution nicht
an dieser Stelle, nicht im Namen des Advocatenstandes reclamiren
zu dürfen, da sie Gemeingut des ganzen Volkes ist, welches sie
fordert und erlangen wird. Doch wollten wir diese Zeilen, welche
hiemit der gerechten Beurtheilung aller Sachkundigen empfohlen