Der Advocat, welcher seinen Beruf erkannt hat, achtet, ehrt
und liebt ihn. Er weiß sich berufen, die Verwirklichung der
Rechts=Idee in allen Sphären des Einzel=, Staats= und Völkerlebens
zu vermitteln, zu veranlassen. Er weiß aber auch, daß die Auf
gabe seines Standes weit hinausreicht über die Kraft Eines
Menschen, und deshalb begrüßt er mit freudiger Achtung Die
jenigen, welche mit ihm dem großen Ziele zustreben. Er lebt von
seines Kopfes Arbeit und läßt sich daher von solchen, die es ver
mögen, mit Geld und Geldeswerth für die Thätigkeit entschädigen.
die er nur in ihrem Interesse aufgewendet hat; allein er weiß
sehr wohl, daß ihm ein großer, der größere Theil seiner Berufs
thätigkeit nicht anders gelohnt werden wird, als durch das Bewußt
sein erfüllter Pflicht und die Anerkennung seiner Mitbürger. Des
halb verschmäht er es nicht, zu erkennen, daß sein Beruf nach
Einer Seite hin ein Gewerbe ist; aber entehrt müßte er sich
glauben, wenn jemals in ihm die Ueberzeugungstreue des Gelehrten
von der Habsucht des Gewerbsmannes besiegt würde. Unabhängig
ist er von den Anmaßungen der Großen, ganz abhängig nur von
dem Flehen der Unterdrückten. Was die Wissenschaft in ihrer Tiefe
birgt, was der Menschengeist geschaffen in seiner Herrlichkeit, er
tennt es und braucht es im Dienste des Rechts. Die Sprache
aber mit ihren Schätzen ist ihm ein liebgewordenes Rüstzeug, das
er gerne blank und scharf erhält. Dolche führt er nicht, nur das
gute Schwert, im offenen Kampfe, im freien Felde, wo derjenige
siegt, auf dessen Seite Gott ist .... Vir bonus, dicendi peritus.
Nicht alle Bilder haben so viel Licht. So mancher nennt sich
einen Advocaten, der es mit seinem Berufe anders meint. Quidam
ist ein kluges Kind, er lernt gut und merkt gut, und zu rechnen