Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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gewärtigen, daß noch irgend ein unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden 
sei, der zuvor in Anspruch genommen werden müsse. 
Bringt die Herrschaft ihr erkranktes Gesinde in einem Kranken 
hause unter, so haftet sie diesem als Gegenkontrahentin für die gesamten 
Kur- und Pflegekosten, gleichviel, ob sie mit der Unterbringung des Ge 
findes in der Anstalt ihre eigene oder eine fremde Pflicht erfüllt. Dies 
gilt auch, wenn das Dienstverhältnis während des Aufenthalts des Gesindes 
in der Anstalt zu Ende gegangen ist, es sei denn, daß sich aus den Er 
klärungen der Herrschaft ergibt, daß sie nur bis zum Ablauf der Dienst 
zeit für das Gesinde sorgen wollte.*) Begibt sich das Gesinde gegen den 
Willen der Herrschaft in eine Krankenanstalt und mußte letztere den ent 
gegenstehenden Willen der Herrschaft erkennen, so kann sie von letzterer 
nicht Ersatz ihrer Auslagen verlangen,*) sondern sie nur aus dem Gesichts 
punkte der ungerechtfertigten Bereicherung in Anspruch nehmen, soweit die 
Herrschaft die Kosten der Kur und Verpfleguing im Hause gespart hat 
(§§ 678, 684 BGB.). Im übrigen muß sich die Krankenanstalt an den 
Ortsarmenverband halten. 
§ 10. 
c) Krankheit als Kündigungsgrund. 
Die Krankheit 
1. Kündigungsrecht der Herrschaft. 
Recht zur vor 
des Gefindes gibt der Herrschaft im allgemeinen kein 
zeitigen Kündigung des Dienstverhältnisses, außer wenn sich das Gesinde 
durch liederliche Aufführung ansteckende oder ekelhafte Krankheiten zu 
gezogen hat, oder ein weiblicher Dienstbote schwanger wird (§§ 128 
und 133 Geso.). Der § 626 BGB., welcher jedem Teile die Kündigung 
des Dienstverhältnisses gestattet, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, kann 
in der Gefindeordnung keine Anwendung finden, andernfalls hätte seine 
Geltung im Art. 95 des Einführungsgesetzes oder dem Art. 14 des preuß. 
Ausführungsgesetzes ausdrücklich angeordnet werden müssen. Die Gegner 
dieser Ansicht*) berufen sich darauf, daß es einem Gesetzgeber wegen der 
Mannigfaltigkeit der möglicherweise eintretenden wichtigen Umstände gar 
nicht möglich sei, die Gründe, welche die Herrschaft zur sofortigen Ent 
lassung des Gesindes berechtigten, erschöpfend aufzuzählen, und daß auch 
* Gerhard I S. 128/29. 
*) Die §§ 679, 683 BGB., wonach ein entgegenstehender Wille des Geschäfts 
herrn nicht in Betracht kommt, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des 
Geschäftsherrn, welche im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhalts 
pflicht nicht erfüllt würde, kommt hier nicht in Betracht, weil die Herrschaft be 
rechtigt ist, das Gesinde im Hause zu verpflegen und ärztlich behandeln zu lassen. 
* Rehbein IV S. 723 und DIZ. 1899 S. 59; Jacoby S. 185 f.
	        
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