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gewärtigen, daß noch irgend ein unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden
sei, der zuvor in Anspruch genommen werden müsse.
Bringt die Herrschaft ihr erkranktes Gesinde in einem Kranken
hause unter, so haftet sie diesem als Gegenkontrahentin für die gesamten
Kur- und Pflegekosten, gleichviel, ob sie mit der Unterbringung des Ge
findes in der Anstalt ihre eigene oder eine fremde Pflicht erfüllt. Dies
gilt auch, wenn das Dienstverhältnis während des Aufenthalts des Gesindes
in der Anstalt zu Ende gegangen ist, es sei denn, daß sich aus den Er
klärungen der Herrschaft ergibt, daß sie nur bis zum Ablauf der Dienst
zeit für das Gesinde sorgen wollte.*) Begibt sich das Gesinde gegen den
Willen der Herrschaft in eine Krankenanstalt und mußte letztere den ent
gegenstehenden Willen der Herrschaft erkennen, so kann sie von letzterer
nicht Ersatz ihrer Auslagen verlangen,*) sondern sie nur aus dem Gesichts
punkte der ungerechtfertigten Bereicherung in Anspruch nehmen, soweit die
Herrschaft die Kosten der Kur und Verpfleguing im Hause gespart hat
(§§ 678, 684 BGB.). Im übrigen muß sich die Krankenanstalt an den
Ortsarmenverband halten.
§ 10.
c) Krankheit als Kündigungsgrund.
Die Krankheit
1. Kündigungsrecht der Herrschaft.
Recht zur vor
des Gefindes gibt der Herrschaft im allgemeinen kein
zeitigen Kündigung des Dienstverhältnisses, außer wenn sich das Gesinde
durch liederliche Aufführung ansteckende oder ekelhafte Krankheiten zu
gezogen hat, oder ein weiblicher Dienstbote schwanger wird (§§ 128
und 133 Geso.). Der § 626 BGB., welcher jedem Teile die Kündigung
des Dienstverhältnisses gestattet, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, kann
in der Gefindeordnung keine Anwendung finden, andernfalls hätte seine
Geltung im Art. 95 des Einführungsgesetzes oder dem Art. 14 des preuß.
Ausführungsgesetzes ausdrücklich angeordnet werden müssen. Die Gegner
dieser Ansicht*) berufen sich darauf, daß es einem Gesetzgeber wegen der
Mannigfaltigkeit der möglicherweise eintretenden wichtigen Umstände gar
nicht möglich sei, die Gründe, welche die Herrschaft zur sofortigen Ent
lassung des Gesindes berechtigten, erschöpfend aufzuzählen, und daß auch
* Gerhard I S. 128/29.
*) Die §§ 679, 683 BGB., wonach ein entgegenstehender Wille des Geschäfts
herrn nicht in Betracht kommt, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des
Geschäftsherrn, welche im öffentlichen Interesse liegt, oder eine gesetzliche Unterhalts
pflicht nicht erfüllt würde, kommt hier nicht in Betracht, weil die Herrschaft be
rechtigt ist, das Gesinde im Hause zu verpflegen und ärztlich behandeln zu lassen.
* Rehbein IV S. 723 und DIZ. 1899 S. 59; Jacoby S. 185 f.