Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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§ 9. 
b) Ersatzansprüche der Herrschaft und Dritter. 
1. Ersatzansprüche der Herrschaft. Die Fürsorgepflicht aus den 
§§ 86 GesO. und 617 BGB ist, wie früher ausgeführt, eine eigene und 
endgültige und läßt daher für einen Ersatzanspruch der Herrschaft keinen 
Raum. Anders bei den §§ 88 und 89 Geso. Hier folgt aus der 
provisorischen Natur der Fürsorge, daß die Herrschaft ein Rückgriffsrecht 
gegen diejenigen haben muß, deren Pflichten sie übernommen hat. Hat 
nach gesetzlicher Vorschrift die Herrschaft nicht für das Gesinde zu sorgen, 
so ist es das Natürliche, daß das Gesinde für sich selbst sorgt. Hat es 
daher eigenes Vermögen — was allerdings nur selten vorkommen wird  
und ist es auch körperlich imstande, sich selbst zu pflegen, so liegt kein 
Fall der Hilfsbedürftigkeit vor. Hat das Gefinde aber zwar eigenes 
Vermögen, ist aber im übrigen infolge der Krankheit hilflos, so hat die 
Herrschaft einzugreifen und dem Gesinde die nötige Pflege angedeihen zu 
lassen. Hierfür kann sie sich dann an das Vermögen des Gesindes halten 
soweit dieses, abgesehen von dem etwaigen Lohnabzuge, zum Ersatze der 
Auslagen noch nötig ist. — Ist das Gesinde arm, so ist dieser Anspruch 
der Herrschaft gegen jenes ohne Bedeutung, und es fragt sich, inwieweit 
die Herrschaft von den Verwandten, deren Stelle es bei der Fürsorge vertreten 
hat, Ersatz verlangen kann. § 88 geht, wie oben angeführt, einmal davon 
aus, daß keine unterstützungspflichtigen Verwandten vorhanden, oder wenn 
auch vorhanden, doch nicht in der Lage sind, dem Gesinde zu helfen. 
In diesem Falle hat auch der Ersatzanspruch gegen sie keinen Wert, und 
hat dann die Herrschaft die Kosten der Verpflegung und ärztlichen Be 
handlung allein zu tragen. Der § 88 umfaßt weiterhin den Fall, daß 
unterstützungspflichtige Verwandte zwar vorhanden, aber nicht in der Nähe 
sind. Hier, wie im Falle des § 89, wo zur Unterstützung verpflichtete 
Verwandte sich weigern, die Fürsorge zu übernehmen, kann die Herrschaft, 
joweit ihre Ansprüche durch den Abzug vom Lohne noch nicht befriedigt 
sind, von den Verwandten vollen Ersatz fordern. 
Gewährt die Herrschaft über die Dienstzeit hinaus Kur und Ver 
pflegung, so kann sie infolge der Vorschrift des § 92 Geso. 
Ersatz 
hierfür nur dann verlangen, wenn sie sich dieses Recht vorbehalten hat. 
Eine Aufrechnung dieser durch die freiwillige Fürsorge entstandenen Un 
kosten gegen den Lohnanspruch ist nur insoweit statthaft, als dieser pfändbar 
ist (§ 394 BGB.). Dieses ist aber nur dann der Fall, nachdem die 
ist 
Dienste geleistet und der Lohn am Fälligkeitstage nicht eingefordert 
(§ 1 des Gesetzes betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes vom 
21. 6. 1889 
3 
) Lehnt die Herrschaft die weitere Fürsorge ab, so hat sie 
29. 3. 1897— 
*) s. oben S. 15. 
* vgl. Nußbaum S. 51.
	        
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