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§ 9.
b) Ersatzansprüche der Herrschaft und Dritter.
1. Ersatzansprüche der Herrschaft. Die Fürsorgepflicht aus den
§§ 86 GesO. und 617 BGB ist, wie früher ausgeführt, eine eigene und
endgültige und läßt daher für einen Ersatzanspruch der Herrschaft keinen
Raum. Anders bei den §§ 88 und 89 Geso. Hier folgt aus der
provisorischen Natur der Fürsorge, daß die Herrschaft ein Rückgriffsrecht
gegen diejenigen haben muß, deren Pflichten sie übernommen hat. Hat
nach gesetzlicher Vorschrift die Herrschaft nicht für das Gesinde zu sorgen,
so ist es das Natürliche, daß das Gesinde für sich selbst sorgt. Hat es
daher eigenes Vermögen — was allerdings nur selten vorkommen wird
und ist es auch körperlich imstande, sich selbst zu pflegen, so liegt kein
Fall der Hilfsbedürftigkeit vor. Hat das Gefinde aber zwar eigenes
Vermögen, ist aber im übrigen infolge der Krankheit hilflos, so hat die
Herrschaft einzugreifen und dem Gesinde die nötige Pflege angedeihen zu
lassen. Hierfür kann sie sich dann an das Vermögen des Gesindes halten
soweit dieses, abgesehen von dem etwaigen Lohnabzuge, zum Ersatze der
Auslagen noch nötig ist. — Ist das Gesinde arm, so ist dieser Anspruch
der Herrschaft gegen jenes ohne Bedeutung, und es fragt sich, inwieweit
die Herrschaft von den Verwandten, deren Stelle es bei der Fürsorge vertreten
hat, Ersatz verlangen kann. § 88 geht, wie oben angeführt, einmal davon
aus, daß keine unterstützungspflichtigen Verwandten vorhanden, oder wenn
auch vorhanden, doch nicht in der Lage sind, dem Gesinde zu helfen.
In diesem Falle hat auch der Ersatzanspruch gegen sie keinen Wert, und
hat dann die Herrschaft die Kosten der Verpflegung und ärztlichen Be
handlung allein zu tragen. Der § 88 umfaßt weiterhin den Fall, daß
unterstützungspflichtige Verwandte zwar vorhanden, aber nicht in der Nähe
sind. Hier, wie im Falle des § 89, wo zur Unterstützung verpflichtete
Verwandte sich weigern, die Fürsorge zu übernehmen, kann die Herrschaft,
joweit ihre Ansprüche durch den Abzug vom Lohne noch nicht befriedigt
sind, von den Verwandten vollen Ersatz fordern.
Gewährt die Herrschaft über die Dienstzeit hinaus Kur und Ver
pflegung, so kann sie infolge der Vorschrift des § 92 Geso.
Ersatz
hierfür nur dann verlangen, wenn sie sich dieses Recht vorbehalten hat.
Eine Aufrechnung dieser durch die freiwillige Fürsorge entstandenen Un
kosten gegen den Lohnanspruch ist nur insoweit statthaft, als dieser pfändbar
ist (§ 394 BGB.). Dieses ist aber nur dann der Fall, nachdem die
ist
Dienste geleistet und der Lohn am Fälligkeitstage nicht eingefordert
(§ 1 des Gesetzes betr. die Beschlagnahme des Arbeits- oder Dienstlohnes vom
21. 6. 1889
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) Lehnt die Herrschaft die weitere Fürsorge ab, so hat sie
29. 3. 1897—
*) s. oben S. 15.
* vgl. Nußbaum S. 51.