Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

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Deutungen aus folgenden Erwägungen: Wie eben erwähnt, kann sich die 
Herrschaft in dem Falle, daß der Dienstbote die Krankheit, welche durch 
den Dienst oder bei Gelegenheit desselben entstanden ist, selbst verschuldet 
hat, wegen sämtlicher entstandenen Unkosten an den ganzen Lohn des 
Dienstboten halten. Nun beziehen sich aber die §§ 88 und 89 auch auf 
die Erkrankungen, welche nicht in ursächlichem Zusammenhange mit dem 
Dienste erfolgt und von dem Gefinde selbst verschuldet sind, sowie auch 
auf diejenigen durch den Dienst oder bei dessen Gelegenheit entstandenen 
bei denen die Herrschaft wegen Verschuldens des Gefindes nicht einzu 
greifen braucht. Wollte man nun in dem einen Falle weitgehende Ersatz 
ansprüche gewähren, in dem andern aber nur den Anspruch auf Abzug 
der Kurkosten vom Lohne, so würde dem Gesinde, welches zufällig 
ohne Hilfe von Verwandten ist und sich die Krankheit gar durch eigene 
Schuld zugezogen hat, vom Gesetze ein Vorteil gewährt werden, den es 
nicht verdient, für den auch jeder Rechtsgrund fehlt.*) Dieses ist daher 
vom Gesetzgeber wohl nicht gewollt. Allerdings müßte sich die Herrschaft 
in diesen Fällen auch an den ganzen Lohn des Gesindes halten können. 
Hier greift eben die Bestimmung des § 91 ein, die diesen Lohnabzug 
verbietet. Der Gesetzgeber ging hierbei nach v. Rönne*) von der Er 
wägung aus, daß die Herrschaft nicht befugt sei, den Lohn für die ver 
flossene Zeit zurückzuhalten, und daher auch aus ihrer gesetzwidrigen 
Handlung keinen Vorteil ziehen könne. Dieses Argument ist jedoch nicht 
immer zutreffend, da es die Fälle nicht berücksichtigt, wo der Lohn dem 
Gesinde mit dessen Einwilligung nicht ausbezahlt ist, oder wo der Lohn, 
auch für die Zeit vor der Krankheit, erst nach Beendigung der letzteren 
fällig wird. Auch für das Anwendungsgebiet der §§ 88 und 89 gilt 
der Satz, daß der Lohn bei eigenem Verschulden des Gesindes nicht 
geschuldet wird. 
— Das Recht des Lohnabzuges ist mithin nur dann 
von Bedeutung, wenn die Krankheit nicht in ursächlichem Zusammenhange 
mit dem Dienste entstanden und nicht selbst verschuldet ist. 
2. Auch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche wird der Lohn, 
wie erwähnt, im allgemeinen nur für die wirklich geleisteten Dienste 
geschuldet, auch hier entfällt der Anspruch darauf, wann die Krankheit 
verschuldet ist. Aus Billigkeitsrücksichten") jedoch soll der Dienstbote 
dann des Anspruches auf die Vergütung nicht verlustig gehen, wenn er 
für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch die Krankheit ohne 
*) Daß in derartigen Fällen die Herrschaft zur Fürsorge verpflichtet ist, 
beruht, wie früher erwähnt, auf der körperlichen Hilfsbedürftigkeit des Gesindes. 
Diese kommt aber bei Ersatzansprüchen, welche ein Entgelt für die weit 
gehende Fürsorgepflicht bilden, nicht in Betracht. 
*) Ergänzungen III S. 385. 
3) vgl. v. Blume im „Recht“ 1902 S. 6 f.: Die vorübergehende Ver 
hinderung des zu Dienstleistungen Verpflichteten (§ 616 BGB.). Da die Vorschrift 
nur aus Billigkeitsrücksichten, nicht aus solchen der Sozialpolitik gegeben ist, so 
kann sie durch Vereinbarung der Parteien abgeändert werden.
	        
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