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Deutungen aus folgenden Erwägungen: Wie eben erwähnt, kann sich die
Herrschaft in dem Falle, daß der Dienstbote die Krankheit, welche durch
den Dienst oder bei Gelegenheit desselben entstanden ist, selbst verschuldet
hat, wegen sämtlicher entstandenen Unkosten an den ganzen Lohn des
Dienstboten halten. Nun beziehen sich aber die §§ 88 und 89 auch auf
die Erkrankungen, welche nicht in ursächlichem Zusammenhange mit dem
Dienste erfolgt und von dem Gefinde selbst verschuldet sind, sowie auch
auf diejenigen durch den Dienst oder bei dessen Gelegenheit entstandenen
bei denen die Herrschaft wegen Verschuldens des Gefindes nicht einzu
greifen braucht. Wollte man nun in dem einen Falle weitgehende Ersatz
ansprüche gewähren, in dem andern aber nur den Anspruch auf Abzug
der Kurkosten vom Lohne, so würde dem Gesinde, welches zufällig
ohne Hilfe von Verwandten ist und sich die Krankheit gar durch eigene
Schuld zugezogen hat, vom Gesetze ein Vorteil gewährt werden, den es
nicht verdient, für den auch jeder Rechtsgrund fehlt.*) Dieses ist daher
vom Gesetzgeber wohl nicht gewollt. Allerdings müßte sich die Herrschaft
in diesen Fällen auch an den ganzen Lohn des Gesindes halten können.
Hier greift eben die Bestimmung des § 91 ein, die diesen Lohnabzug
verbietet. Der Gesetzgeber ging hierbei nach v. Rönne*) von der Er
wägung aus, daß die Herrschaft nicht befugt sei, den Lohn für die ver
flossene Zeit zurückzuhalten, und daher auch aus ihrer gesetzwidrigen
Handlung keinen Vorteil ziehen könne. Dieses Argument ist jedoch nicht
immer zutreffend, da es die Fälle nicht berücksichtigt, wo der Lohn dem
Gesinde mit dessen Einwilligung nicht ausbezahlt ist, oder wo der Lohn,
auch für die Zeit vor der Krankheit, erst nach Beendigung der letzteren
fällig wird. Auch für das Anwendungsgebiet der §§ 88 und 89 gilt
der Satz, daß der Lohn bei eigenem Verschulden des Gesindes nicht
geschuldet wird.
— Das Recht des Lohnabzuges ist mithin nur dann
von Bedeutung, wenn die Krankheit nicht in ursächlichem Zusammenhange
mit dem Dienste entstanden und nicht selbst verschuldet ist.
2. Auch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche wird der Lohn,
wie erwähnt, im allgemeinen nur für die wirklich geleisteten Dienste
geschuldet, auch hier entfällt der Anspruch darauf, wann die Krankheit
verschuldet ist. Aus Billigkeitsrücksichten") jedoch soll der Dienstbote
dann des Anspruches auf die Vergütung nicht verlustig gehen, wenn er
für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch die Krankheit ohne
*) Daß in derartigen Fällen die Herrschaft zur Fürsorge verpflichtet ist,
beruht, wie früher erwähnt, auf der körperlichen Hilfsbedürftigkeit des Gesindes.
Diese kommt aber bei Ersatzansprüchen, welche ein Entgelt für die weit
gehende Fürsorgepflicht bilden, nicht in Betracht.
*) Ergänzungen III S. 385.
3) vgl. v. Blume im „Recht“ 1902 S. 6 f.: Die vorübergehende Ver
hinderung des zu Dienstleistungen Verpflichteten (§ 616 BGB.). Da die Vorschrift
nur aus Billigkeitsrücksichten, nicht aus solchen der Sozialpolitik gegeben ist, so
kann sie durch Vereinbarung der Parteien abgeändert werden.