Full text: Marx, Ferdinand: ¬Die Fürsorge der Herrschaft für ihr krankes Gesinde nach der preuß. Gesindeordnung vom 8. November 1810 und dem Bürgerlichen Gesetzbuche

Folge hat, daß manchmal in demselben Gerichtsbezirke mehrere Gefinde 
ordnungen zur Anwendung kommen. 
Für den größeren Teil Preußens*) gilt jedoch die Gefindeordnung 
vom 8. 11. 1810. Ihr soll die folgende Abhandlung gelten, insbesondere 
den Vorschriften über die Fürsorge der Herrschaft für das kranke Gesinde, 
die einesteils wegen ihrer sozialen Bedeutung, dann aber auch wegen 
ihrer  
durch die Einwirkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs gerade auf 
diese Materie hervorgerufenen — rechtlichen Schwierigkeiten besondere 
Beachtung verdienen. 
Welche Personen zum Gesinde zählen, hat das Bürgerliche Gesetz 
buch nicht bestimmt, es wollte auch in dieser Beziehung der Landesgesetz 
gebung mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Verhältnisse freien Spiel 
raum lassen.?) Die Feststellung des Begriffs des Gesindes, die für uns 
demnach nach der preuß. Gesindeordnung zu erfolgen hat, wird aber für 
die weitere Untersuchung von Wichtigkeit sein, da nur so sich der Kreis 
derjenigen Personen ergibt, für welche die später zu erörternden Normen 
gelten, und die Entscheidung der Frage zu manchen Zweifeln Anlaß gibt. 
§ 2. 
Der Begriff des Gesindes. 
1. Unter Gesinde (oder Dienstboten) sind Personen zu verstehen, 
die sich einem Dritten, dem Dienstherrn, gegenüber zu ungemessenen 
Diensten niederer Art in dessen Haushalt oder Landwirtschaft gegen Ent 
gelt auf eine gewisse ununterbrochene Dauer mit der Maßgabe verpflichten, 
daß sie mit Beginn des Dienstes in den Hausstand des Dienstherrn als 
dienendes Mitglied eintreten.?) Die einzelnen Begriffsmerkmale bedürfen 
einer näheren Prüfung. 
Die Dienste müssen zunächst dem Hausstande des Dienstherrn 
gewidmet sein, nicht dessen Berufe. Zum Gesinde gehören danach die 
jenigen Personen nicht, welche im Gewerbe- oder Handelsbetriebe des 
Dienstberechtigten angestellt sind, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen 
des Gesindebegriffs zutreffen, sie namentlich in die häusliche Gemeinschaft 
aufgenommen sind, als Handlungsgehilfen, -lehrlinge, Laufburschen und 
dergl. Leisten derartige Personen auch häusliche Dienste oder umgekehrt 
Personen, welche zu häuslichen Diensten angestellt sind, auch Dienste im 
*) Für Ost= und Westpreußen, Posen, Schlesien, Sachsen, Brandenburg, West 
falen, in den rheinländischen Kreisen Essen, Mühlheim a. d. Ruhr, Ruhrort, sowie 
in Pommern mit Ausnahme von Neuvorpommern und Rügen. 
Planck, EG. S. 211. 
*) Jacoby, Gesindeordnung S. 47. Diese Definition stimmt mit der dem 
Reichstage bei Beratung des BGB. vorgeschlagenen überein (vgl. Planck, EG. 
S. 210).
	        
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