Full text: Commentar zum österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche (1)

Pflicht z. Einschl. d. Raumes,) 
(b. G. B. §. 858.] 
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gemeinschaftliche Kosten hergestellt werden müsse (so auch Randa, Eigenthumsrecht §. 6, 
Note 9). Uns scheint aber die Ansicht Nippel's (Erläut. Bd. 5, S. 322), den Vorzug zu 
verdienen, daß nämlich die Hauptverfügung des §. 858 darin bestehe, jeder Eigenthümer 
habe auf einer Seite für die Einschließung seines Raumes Sorge zu tragen; diesem Haupt 
grundsatze wird zwar die Nebenbestimmung beigefügt, daß dies (in der Regel) die rechte 
Seite des Haupteinganges sein solle, wobei aber der Gesetzgeber eben nur den gewöhnlichen 
Fall vor Augen hatte, daß die Haupteingänge der angrenzenden Gebäude sich auf der näm 
lichen Seite befinden. Für den außergewöhnlichen, hier in Frage stehenden Fall kann dem 
nach eine Nebenbestimmung gar nicht zur Anwendung kommen, und es bleibt daher nur die 
Hauptverfügung übrig, daß jeder Eigenthümer eine Scheidewand ausschließlich auf seine 
Kosten zu erhalten habe; welche dieses sei, müßte auch hier wieder durch das Los, einen 
Schiedsmann oder den Richter bestimmt werden. — Ist eine Scheidewand (Mauer oder Planke) 
verfallen, so kann der ausschließende Besitzer in der Regel nicht verpflichtet werden, 
sie neu aufzuführen, weil es nach §. 362 jedem Eigenthümer freisteht, sein Eigenthum un 
benutzt zu lassen, ja sogar zu vertilgen; höchstens könnte, wenn der verfallene Bau dem Ein 
sturze droht, von dem Rechtsmittel des §. 343 Gebrauch gemacht werden. Doch scheinen von 
dieser Regel zwei Ausnahmen Platz zu greifen; und zwar a) wenn die verfallene Scheide 
wand eine solche ist, welche der Eigenthümer nach den eben entwickelten Grundsätzen zur Ein 
schließung seines Raumes herzustellen verpflichtet ist; und b) wenn durch die Oeffnung für 
den Grenznachbar Schaden zu befürchten stände. Hierunter will Michael Schuster (über das 
Baurecht, S. 77) nur den durch eine widerrechtliche Handlung oder Vernachlässigung einer 
obliegenden Pflicht herbeigeführten Schaden verstehen; er meint daher, die fragliche Verfügung 
sei nur dann anwendbar, wenn die kraft einer bestellten Dienstbarkeit übernommene 
Pflicht, die Mauer in gutem Stande zu erhalten (§. 476) verletzt wird, oder wenn der zur 
Abhilfe verpflichtende Umstand eintritt, daß der Grenznachbar gegen den Geist der im Haupt 
stücke von den Dienstbarkeiten enthaltenen Grundsätze, durch die entstandene Oeffnung künftig 
hin etwas (z. B. das gesammelte Regenwasser) aufnehmen müßte, was er früher aufzunehmen 
nicht verpflichtet war. — Allein der Verfasser scheint uns hiebei von unrichtigen Prämissen 
auszugehen; denn daß jedermann den durch sein Verschulden (durch Verletzung einer Rechts 
pflicht) entstandenen Schaden zu ersetzen habe, ist schon im §. 1295 klar ausgesprochen, es 
hätte also dazu einer besonderen Anordnung im §. 858 nicht bedurft. Diese möchte daher 
vielmehr als eine Ausnahme von dem sonst geltenden Grundsatze des §. 1305 anzusehen 
sein, daß nämlich derjenige, der von seinem Rechte innerhalb der rechtlichen Schranken Ge 
brauch macht, den für einen andern daraus entspringenden Nachtheil nicht zu verantworten 
habe. Wir haben bereits oben gesehen, daß das Gesetz hinsichtlich der Errichtung von Scheide 
wänden aus öffentlichen Rücksichten von dem strengen Rechte abweicht, und dem 
Eigenthümer Verpflichtungen auferlegt, die aus dem Begriffe des Eigenthums nicht ab 
geleitet werden können. Hierunter scheint denn auch die in Frage stehende Erhaltungspflicht 
zu gehören, und zwar um so mehr, als der Begriff des Schadens nach §. 1294 keineswegs 
auf eine widerrechtliche Handlung oder Unterlassung eingeschränkt werden kann, indem der 
gedachte §. ausdrücklich auch den Zufall als eine Quelle des Schadens bezeichnet. Wir 
glauben daher, daß der Eigenthümer auch abgesehen von der Verletzung einer Vertragspflicht 
oder der Anmaßung einer Servitut verbunden sei, die seinem Nachbar schädliche Oeffnung 
wieder zu verschließen, doch stimmen wir vollkommen der Ansicht Nippel's (Erläut. Bd. 5, 
S. 311) bei, daß der Grund der Beschädigung gerade in der Oeffnung der Mauer oder 
Planke liegen müsse; und daß somit der Grenznachbar für jenen Schaden nicht verantwortlich 
sei, welcher auch dann entstanden sein würde, wenn sich zwischen den beiden Grundstücken 
gar keine Mauer oder Planke befände. 
4 
— 
Buchdruckerei Julius Klinkhardt, Leipzig.
	        
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