Full text: Commentar zum österreichischen Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche (1)

[b. G. B. §. 858.) 
(Pflicht z. Einschl. d. Raumes.) 
1017 
Gesetzliche Verpflichtung des Grundeigenthümers zur Verwahrung der Grenzen. 
1. Aus dem Begriffe des Eigenthums folgt, wie schon oben bemerkt wurde, daß 
jedermann berechtigt ist, seinen Raum einzuschließen und von dem fremden Raume 
abzutheilen; er kann aber im allgemeinen nicht als hiezu verpflichtet angesehen 
werden, da niemand ohne einen besonderen Rechtstitel verbunden ist, zum Vortheile 
eines andern etwas zu unternehmen, und da selbst die Servituten nur in einem 
„Gestatten" oder „Unterlassen", nicht aber in einem „Thun" bestehen (§. 482). 
Allein der Staat mag sich immerhin bewogen finden, zur Erhaltung und Beförderung 
des allgemeinen Wohles Einschränkungen vorzuschreiben, welche nicht aus der Natur 
des Eigenthumes fließen (§. 364). Nun liegt es allerdings im öffentlichen Interesse, 
daß das Eigenthum auf eine deutliche und unwandelbare Art bezeichnet, daß benach 
barte Grundstücke gehörig von einander abgegrenzt und dadurch Besitz- und andere 
Streitigkeiten vermieden werden. Deshalb verfügt der §. 858 in seinem Schlußsatze, 
daß jeder Eigenthümer verbunden ist, auf der rechten Seite seines Haupteinganges 
für die nöthige Einschließung seines Raumes und für die Abtheilung von dem fremden 
Raume zu sorgen.*) Wir haben es demnach hier mit einer Legalservitut zu thun. 
2. Diese Anordnung ist übrigens nur auf solche Grundstücke anwend 
bar, welche gegen den Zutritt der Menschen gesichert zu werden pflegen, z. B. 
Gärten, Höfe oder andere unmittelbar an den Häusern liegende Grundstücke, nicht 
aber auf offene Felder, Wiesen, Weingärten u. s. w., denn der §. redet von einem 
„Eingange", setzt also offenbar voraus, daß nicht jedermann der Zutritt zu den 
selben freisteht.*) Unter der rechten Seite des Haupteingangess) ist diejenige zu 
verstehen, welche dem in das Haus Eintretenden zur Rechten liegt, wie aus dem 
Wortlaute des Gesetzes erhellt, welches sich sonst wohl des Ausdruckes „Ausgang 
statt Eingang bedient hätte." 
1) Dr. Jos. Helfert meint (in der Zeitschr. f. österr. Rechtsgel. 1826, I. S. 229) 
der §. 858 handle nur von dem Falle, wenn eine Mauer oder eine Planke, welche bisher 
als Scheidewand benutzt worden war, verfallen ist, oder in schlechten Zustand zu kommen 
anfängt, und aus der unterlassenen Wiederherstellung in den vorigen Stand für den 
Grenznachbar Schade zu befürchten steht. — Allein mit Recht bemerkt hiegegen Nippel 
(in seinen Erläut. Bd. 5, S. 514), daß der §. 858 jedem Grenznachbar die in Frage stehende 
Verpflichtung auferlegt, durch welche bei mehreren in der Reihe fortlaufenden Grundstücken 
zugleich für die Einschließung des Raumes von beiden Seiten gesorgt wird, und die dies 
fälligen Kosten gleichmäßig unter die Nachbarn vertheilt werden. Die Gerichtspraxis neigt 
sich mehr der Ansicht Helfert's zu (vgl. Mages „Ueber Nachbarrecht" in der Ger. Ztg. 
Nr. 10 ex 1871). 
2) S. Nippel, Erläut. Bd. 5, S. 317. 
3) Es heißt in den böhmischen Stadtrechten K. XXXV.: „Wenn ein Streit zwischen 
den Nachbarn entsteht wegen einer Wand oder Mauer, die zwischen zweien Häusern liegt 
also, daß sich einer dieselbe zueignen und den andern davon abdringen wollte, oder daß beide 
Nachbarn sich derselben entäußern wollten . . .. so sollen die Geschworenen in das Haus 
um zu er 
hineingehen und mit allem Fleiße die Wand oder Mauer untersuchen 
kennen . ... wem sie zuständig sei; denn obwohl durch gemeine Gebräuche und gemeiniglich 
die Mauern auf der rechten Seite, wenn man ins Haus geht, demselben Hause zuge 
schrieben werden" rc. — S. Helfert a. a. O. S. 235. 
4) Ist ein Gebäude mit mehreren Eingängen versehen, so wird sich wohl meistens 
aus den obwaltenden Umständen entnehmen lassen, welcher als der Haupteingang zu be 
trachten sei; z. B. wenn der eine an der Vorder-, der andere an der Rück- oder Nebenseite 
des Hauses angebracht, wenn einer bloß für Fußgänger, der andere auch für Fuhrwerk be 
stimmt ist u. dgl. — 
Bietet sich aber kein geeigneter Anhaltspunkt dar, wie es bei sogen. 
Durchhäusern nicht selten der Fall ist, so müßte nach der Analogie des §. 841 zur Entschei 
dung durch das Los, einen Schiedsmann oder den Richter Zuflucht genommen werden. 
Liegen die Haupteingänge zweier benachbarter Grundstücke auf einander gegenüber 
stehenden Seiten, z. B. bei dem einen auf der Süd-, bei dem andern auf der Nordseite, 
so daß der einzuschließende Raum für jeden der beiden Nachbarn die linke oder rechte Seite 
seines Haupteinganges bildet, so meint Helfert (a. a. O. S. 244), daß die Scheidewand auf
	        
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