V. Buch. Von der Erbschaft.
§. 479...481.
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erlangt er nicht nur, wie in andern Fällen, den Nießbrauch an deren Erbtheilen, wenn
diese noch in feiner Gewalt sind, sondern auch, wenn sie oder ihr Vater emancipirt oder
als Tochterkinder gar nicht in seiner Gewalt gewesen sind, den Nießbrauch an einer
Virilportion. L. 3. Cod. de bon. mat. 6. 60. Ueber die Berechnung vgl. Schrader
Abh. I. 4. Vangerow §. 415. Puchta §. 457. not. c. Vgl. jedoch §. 436. Anm. 3. mit
§. 433. Anm. 2. Wenn dagegen y) der Vater in der zweiten Classe selbst berufen ist,
so hat er keinen Nießbrauch mehr an den Erbtheilen der Miterben (§. 434.2.) b) Zum
Nachtheil der miterbenden Mutter tritt eine Beschränkung ein zufolge des §. 417.
not. h. Schirmer I. S. 293. fg.
§. 480.
2) Ordentliches Erbrecht des Ehegatten.
Sind keine erbberechtigte Verwandte da, oder die vorhandenen machen
von ihrem Erbrecht keinen Gebrauch, so kann der überlebende Ehegatte
durch die bonorum possessio ex edicto unde vir et uxor zur Erb
folge gelangen". Vorausgesetzt wird dabei, daß eine gültige Ehe bis
zum Tode des Erblassers bestanden und nicht einmal eine wenngleich
rechtlich unwirksame Scheidung stattgefunden habe". Auch durch die
Scheidung von Tisch und Bett, nach heutigem Recht, wird dieses Erbrecht
ausgeschlossen.
3) Außerordentliche Erbfolge.
§. 481.
a) Der armen Wittwe.
Der dürftigen Wittwe des wohlhabenden Erblassers ist, falls sie nicht
nach §. 480. erbt, neben den nach §. 474...478. erbenden Verwandten
ein Erbrecht gegeben', das ihr auch durch testamentarische Verfügung
nicht geschmälert werden soll; und zwar der Regel nach auf ein Viertheil
der Erbschaft, jedoch, wenn sie mit mehr als drei Kindern des Erblassers
zusammentrifft, nur auf einen Kopftheil?, zudem noch mit der Beschränk
ung, daß ihr Erbtheil in keinem Fall den Betrag von 100 Pfund Goldes
überschreiten soll3. Auch muß sie in ihren Erbtheil einrechnen, was ihr
durch Vermächtniß vom Manne zugewendet ist. Erbt sie mit eigenen
Kindern zusammen, so erhält sie nur den Nießbrauch an ihrem Erbtheil;
die Proprietät bleibt jenen vorbehalten. Voraussetzung auch dieses Erb
rechts ist, daß die hinterlassene Frau mit dem Erblasser bis zu dessen Tode
in gültiger Ehe gelebt habe".
Anm. 1 Justinian hatte zuerst (a. 537.) auch dem Manne unter gleicher Voraus
setzung ein gleiches Erbrecht gegeben. Nov. 53. cap. 6. Später (a. 541.) hat er es diesem
wieder entzogen und das der dürftigen Wittwe näher bestimmt durch Nov. 117. cap. 5.
* Dig. unde vir et uxor. 38. 11. Cod. 6. 18. b L. 1. §. 1. D. l. c.