Full text: Arndts von Arnesberg, Karl Ludwig: Lehrbuch der Pandekten

III. Buch. Von den Obligationen. 
348 
§. 217. 
auch streng genommen keine Forderung5, doch eine Schuldverbindlichkeit 
bestehe oder bestanden habe', kann auch sonst unter Umständen gerichtlich 
geltend gemacht werden, wo es dazu der Klage nicht bedarf, namentlich 
zum Zweck der Compensation". Und das Daseyn einer wenn gleich klag 
losen Obligatio kann insbesondere auch dadurch Bedeutung gewinnen, daß 
sich daran ein anderes, selbst eine Klage begründendes, Rechtsverhältniß 
anknüpft, welches zu seiner Entstehung zwar eine Obligatio, aber nicht 
gerade eine klagbare Obligatio voraussetzt". Die Annahme solcher unvoll 
kommenen aber doch nicht völlig nichtigen Obligationen beruht darin, daß 
man nach natürlicher Rechtsanschauung, nach der naturalis ratio, eine 
Verbindlichkeit auch in solchen Fällen, wo aus Gründen des positiven 
Rechts eine wirksame Klage ausgeschlossen war, begründet fand, und jener 
denn auch als einer Rechtsverbindlichkeit diejenige Bedeutung beilegte, die 
sie ohne die Klagbarkeit haben konnte, soweit dies nicht der ihrer vollen 
Wirksamkeit entgegenstehenden Rechtsbestimmung zuwider war“. Daher 
die Benennung: naturalis obligatio, und die Bezeichnung derselben als 
eines vinculum aequitatis°. Aber diese erscheint nur als eine Ausnahme; 
regelmäßig und vorzugsweise wird unter Obligatio schlechtweg ein klag 
bares Schuldverhältniß verstanden?, mag es nun seinem Ursprung nach 
als in dem allgemeinen Rechte (ius gentium) begründet oder dem eigen 
thümlichen Recht der Römer (ius civile) angehörig betrachtet werden. 
Wenn aber ein Verhältniß in keiner Weise, sey es auch zufolge besondrer 
positiver Rechtsbestimmung, sich rechtlich wirksam erweist, dann ist auch 
von einer naturalis obligatio keine Rede. 
Die einzelnen Fälle nun, in welchen eine Naturalobligation in dem 
angegebenen Sinne stattfindet', sind sehr verschiedenartig, auch in sofern, 
als nicht in allen Fällen in allen angegebenen Beziehungen dieselbe recht 
lich wirksam ists. Im Allgemeinen ist hier nur zu bemerken, daß sie 
stattfinden kann, sowohl wo eine klagbare Obligatio nach Civilrecht schlecht 
hin nicht oder nicht mehr vorhanden ist * (iure civili oder ipso jure 
nulla oder sublata obligatio), als auch wo die mit der Obligatio an 
sich verbundene Klage durch eine entgegenstehende Exceptio, sey diese nun 
von Anfang an oder erst durch einen später eingetretenen Umstand 
1 L. 10. D. de V. S. L. 16. §. 4. cit. cf. L. 41. D. de peculio. 15. 1. m L. 6. D. de 
compens. 16. 2. L. 26. §. 9. D. de cond. indeb. L. 8. §. 1. D. ratam rem hab. 46. 8. n L. 16. 
8. 3. L. 60. D. de fideiuss. 46. 1. L. 5. pr. D. de pign. 20. 1. L. 1. §. 7. D. de pec. 
const. 13. 5. L. 1. §. 1. D. de novat. 46. 2. ° L. 95. §. 4. cit. L. 84. §. 1. D. de R. J. L. 22. 
pr. 32. D. eod. vgl. mit L. 64. D. de cond. indeb. L. 59. D. h. t. 44. 7. 
pr. §. 1. J. de 
obl. 3. 13. L. 7. §. 4. D. de pact. 2. 14. 1 L. 14. D. h. t. 44. 7. L. 38. D. de cond. indeb. 
12. 6. — cf. L. 2. §. 2. D. de cap. min. 4. 5. L. 30. §. 1. D. ad leg. Aquil. 9. 2. vgl. mit 
Gai. IV. 104.
	        
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