Full text: Tuhr, Andreas von: ¬Der Nothstand im Civilrecht

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Im römischen Recht ist nur ein Fall des gemeinsamen Nothstands: 
der des Seewurfs*), gesetzlich geregelt. Der Schiffer durfte, wie es 
scheint?), auch gegen den Willen der Betheiligten die Nothstandsver 
letzungen vornehmen. Es ist hier ein wahres Nothrecht anzuerkennen, 
Dasselbe gilt für das moderne Recht3). 
Schluß. 
§ 40. 
Wir haben versucht, die Nothstandsgedanken im Civilrecht zu ver 
folgen. Wir haben gesehen, daß die Vertheidigung gegen Thiere und 
Sachen civilrechtlich nichts Anderes als ein Anwendungsfall der Noth 
wehr und daher berechtigt ist. Ebenso haben wir in der eigenmächtigen 
Abholung und Trennung eigener Sachen bei drohender Gefahr einen 
Fall berechtigter Selbsthülfe erkannt. Endlich haben wir in den Be 
stimmungen der 1. Rhodia ein Nothrecht des Schiffers gefunden. In 
allen übrigen Fällen des Nothstands handelt es sich, wie wir glauben, 
im römischen Recht nur um Straflosigkeit, nicht um eine Ausnahme 
von der den Eingriff in eine fremde Rechtssphäre verbietenden Norm, 
Wo Selbstvertheidigung, berechtigte Selbsthülfe oder die Ausübung 
eines Nothrechts vorliegt, da muß auch in unserem Strafrecht, da jede 
Strafe eine verbotene Handlung voraussetzt, die Straflosigkeit der 
Nothstandsverletzung über den in Str.=G.=B. § 54 geregelten Fall der 
Gefahr für Leib und Leben hinaus anerkannt werden. Für die übrigen 
Fälle läßt sich aus dem Civilrecht ein Grund der Straflosigkeit nicht 
ableiten. Wie unbillig es auch erscheinen mag, die Nothstandsverletzung 
zum Schutz des Vermögens bleibt nach positivem Rechte strafbar, 
Die vielbestrittene Frage, ob aus der bloßen Gemeinsamkeit der Gefahr für den 
jenigen, welchen der Schaden endgültig trifft, ein Ersatzanspruch gegen die Mit 
gefährdeten entsteht, Windscheid a. a. O. Anm. 15, interessirt uns hier nicht, 
da es sich dabei nicht um Nothstandsverletzungen handelt. 
*) tit. D. de lege Rhodia 14, 2. 
2) Goldschmid, Ztschrft. f. Handelsrecht, Bd. 35, S. 63 fg. 
3) H.=G.=B. Art. 702 fg. Binding, Handbuch, S. 772. 
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