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Italien.
des Art. XX des Friedenstractates vom 3. October 1866, R. G. Bl.
Nr. 116, auf alle Länder des Königreiches Italien ausgedehnt wurde, sind
für die Behandlung des Nachlasses k. italienischer Unterthanen in Oesterreich
und viceversa, sowie für die Besitznahme des Erbvermögens und für die Ver
handlung und Entscheidung von Streitigkeiten über das Erbrecht die Gesetze
desjenigen Staates maßgebend, in welchem sich das Erbvermögen
befindet.
Diese Bestimmung *) fand in den Justizministerialerlässen vom 1. De
cember 1858, Z. 21694, an das lombardische Oberlandesgericht und v. 4. August
1860, Z. 11380, an das österreichische Oberlandesgericht2), mit dem Beifügen,
daß der in Oesterreich befindliche sowohl unbewegliche als bewegliche Nach
laß eines sardinischen Staatsangehörigen von den österreichischen Gerichten
nach österreichischen Gesetzen abzuhandeln ist, dagegen aber die Verhandlung
über die in sardinischem Gebiete befindlichen beweglichen oder unbeweg
lichen Güter eines Oesterreichers den sardinischen Behörden zusteht — ihren
Ausdruck und stand bis in die neueste Zeit und zwar in der Art in Uebung,
daß den k. italienischen Behörden nicht nur der im Königreiche Italien be
in Folge letztwilliger Anordnung oder ab intestato erben und nach den Gesetzen
in Besitz nehmen, nach ihrem Gutdünken hierüber verfügen können, und nur die
Abgaben, Taxen, oder andere Gebühren entrichten, welchen im ähnlichen Falle die
Bewohner des Landes, wo das besagte Eigenthum befindlich ist, gleichfalls unterzogen
werden.
Im Falle der Abwesenheit der Erben wird dieselbe Regel zu befolgen sein,
welche im ähnlichen Falle rücksichtlich des Eigenthumes der Inländer vorgeschrieben ist,
bis die Berechtigten die nöthigen Verfügungen zur Besitznahme getroffen haben.
Sollten sich unter den verschiedenen Prätendenten rücksichtlich des Rechtes auf ein
solches Eigenthum Streitigkeiten erheben, so werden diese von den competenten Ge
richten nach den Gesetzen des Landes, wo die in Rede stehenden Güter gelegen sind,
zu entscheiden sein. Es werden auch die zwischen Oesterreich und Sardinien schon
bestehenden Verträge für die Abschaffung der Heimfalls- und Abfahrtsrechte vom
31. August 1763 und 19. November 1824 bestätiget, indem der gegenwärtige Artikel
nur im ausdehnenden, nie im beschränkenden Sinne auszulegen ist.
und zwar mit der Interpretation: „daß hiebei ein Unterschied zwi
schen beweglichem und unbeweglichem Nachlaßvermögen nicht gemacht
werden kann."*
2) Auf den Artikel 4 des Handels= und Schifffahrtsvertrages vom 18. October
1851, R. G. Bl. Nr. 169 vom Jahre 1852, sich beziehende Erlässe sind an das
österreichische Oberlandesgericht auch am 4. und 21. Februar 1857, Z. 2455 und
4288 und vom 21. Jänner 1864, Z. 484, ergangen.
*) Diese Auslegung des Artikel 4 könnte wohl zweifelhaft erscheinen, da derselbe nach seiner
ganzen Fassung und insbesondere vermöge der Worte : „le leggi del paese, ove sono situati
i beni in discorso wohl zunächst nur die unbeweglichen Güter im Auge zu haben scheint, um
so mehr, als der diesem Artikel 4 unverkenn bar zu Grunde liegende Grundsatz der sogenannten Ter
ritorial=Gerichtsbarkeit sich ebenfalls auf die in einem gewissen Staatsgebiete gelegenen, d. h. un
beweglichen Güter beschränkt; wozu noch zu bemerken ist, daß diese beschränktere Interpre
tation nicht bloß in dem oben citirten italienischen Texte, der bei diesem Vertrage im R. G.
Bl. als Urtext bezeichnet ist, sondern auch in der deutschen Uebersetzung („Güter die gelegen
sind") einen Stützpunkt finden würde. Doch wurde stets an der oberwähnten Interpretation fest
gehalten.