II. Die ursprünglichsten Formen des Landtransports.
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kleine Flächen ohne Wege, und über diese Flächen hin bewegt sich der aller
kleinste Lokalverkehr. Der Landwirt, der mit seinem Wagen vom Dorfwege
abbiegt in sein Ackerland, der Förster, welcher die gefällten Bäume nach dem
nächsten Waldwege schleppen läßt, der Fischer, der seine Beute in einem Karren
aus dem Boote über den Dünensand hinzieht, der Jäger, der das erlegte Wild
über die pfadlose Felswand herabträgt: das sind einzelne Beispiele aus den
zahllosen Transportleistungen, die auf ungebahnten Wegen stattfinden. Jede
Rohproduktion ist mindestens für eine ganz kurze Strecke auf solche Transport
leistungen angewiesen.
Karawanen. Je weiter man sich aber aus dem Herzen des hochzivili
sierten Europa entfernt, um so länger werden diese weglosen Strecken; um so
weiter die Transporte, die ununterbrochen mit den Hindernissen des Terrains
mit der Einsamkeit unbewohnter Gegenden und mit feindseligen Naturgewalten
zu kämpfen haben. Da hat der Karawanenverkehr sein Gebiet.
Karawanenhandel findet sich schon im Altertum. Die Vereinigung von
Reisenden zu Karawanen mußte zunächst da stattfinden, wo der Warenzug durch
Gegenden führte, welche von räuberischen Stämmen bewohnt waren. In manchen
Ländern hat sich der Karawanenhandel bis in die neueste Zeit erhalten; nament
lich im größten Teil von Asien und Afrika. Der Handel hat in jenen Ländern
nicht die reiche Auswahl von Straßen wie in den Kulturländern. In den
Wüsten namentlich finden sich nur an einzelnen weit von einander entfernten
Punkten Ruheplätze mit Brunnen ec. Wegen dieser spärlichen Weggelegenheit hat
sich auch der Karawanenhandel Jahrtausende lang in seinen Richtungen und
Veranstaltungen nur wenig verändert. Dabei war es natürlich, daß die wich
tigeren Haltplätze des Karawanenhandels zu großen Märkten mit lebhafter
Handelsbewegung werden mußten. Natürlich ist es auch, daß die nomadischen
Hirtenvölker, durch deren Gebiet die Karawanen sich bewegen, das eigentliche
Transportgeschäft besorgen, da sie die Lasttiere besitzen. Die mangelnde
Sicherheit des Weges macht bei den Karawanen teils bewaffnetes Geleit, teils
tributähnliche Zahlungen an die Häupter der anwohnenden Stämme notwendig.
Die Transportmittel sind sehr verschieden. In manchen Gegenden ist man ge
nötigt, den Menschen selbst als Lasttier zu benützen, z. B. im portugiesischen
Südafrika, wo das Klima keine Lasttiere duldet. Das eigentliche Karawanen
tier ist das Kamel — von der Sahara bis an das chinesische Meer. Ander
wärts sind Esel, Pferde, Ochsen, in Gebirgsländern Maultiere, in den höchsten
Alpenlandschaften Schafe, Ziegen und Lamas als Lasttiere üblich; im hohen
Norden der Hund und das Renntier.
Die Schwierigkeiten und großen Kosten des Karawanenhandels liegen teils
in den Hindernissen des ungebahnten Weges, in den Zeitverlusten beim Wechsel
der Transporttiere, beim Umpacken, Übernachten 2c.; teils in der verhältnis
mäßig sehr bedeutenden Menge an Nahrungsmittel, Transportpersonal ec.;
welche mitgeführt werden müssen, teils in dem Mangel an politischer und recht
licher Sicherheit, welcher sich in allen Ländern des Karawanenhandels fühlbar
macht, teils endlich in den Verlusten durch Betrug und Unterschleif aller Art,
durch Zollbedrückungen und dergl.
sich der Karawanenverkehr
An die europäischen Verkehrsformen schließt
schon in Südrußland. Das ganze ausgedehnte Steppengebiet nördlich vom
den Karawanenverkehr an
Schwarzen Meer und um das Kaspische Meer ist auf
gewiesen, der in jenen Gegenden seine Hauptschwierigkeiten in der furchtbaren
Hitze und Trockenheit des Sommers und in den entsetzlichen Schneestürmen
des Winters (Burane) findet. Weiter nach Östen, jenseits des Ural, nimmt
der Karawanenverkehr verschiedene Formen an — je nach den klimatischen und
geographischen Bedingungen. Die nordsibirischen Jägernomaden lassen ihre