IX. Das Versicherungswesen.
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Schadenersatz verpflichtet werden kann, ist in jedem einzelnen Falle eine Rechts
frage und hier nicht zu erörtern. Die Anstalt hat es festzustellen, ob der Ver
sicherte keinen jener Punkte verletzt hat, deren Außerachtlassung die Versiche
rungsgesellschaft von ihrer Pflicht befreit.
Eine Hauptaufgabe der Feuerversicherung ist die Sorge, daß der Versicherte
aus dem Brandschader keinen Gewinn ziehen, sondern höchstens volle Ent
schädigung erhalten dürfe. Auch wird die Entschädigung passenderweise an die
Bedingung des Wiederaufbaus geknüpft. Ein wichtiger Punkt ist auch die Siche
rung der Hypothekgläubiger.
Im Gebiete der Feuerversicherung spricht die Erfahrung zu Gunsten der
Staatsanstalten und der Gegenseitigkeitsversicherung.
Lebensversicherung. Die verschiedenen Arten von Versicherungsgeschäften,
welche man unter dem Ausdrucke Lebensversicherung zusammenfaßt, sind jeden
falls vom volkswirtschaftlichen Standpunkte aus die wertvollsten und wichtigsten.
Die Lebensversicherung hat bekanntlich den Zweck, aus kleinen Beiträgen, welche
während der Lebensdauer eines Versicherten von demselben bezahlt werden, ein
Kapital zu bilden, welches nach seinem Tode seinen Erben ausbezahlt wird.
Die Lebensversicherung will demnach denjenigen Störungen, welche durch un
vermutet frühzeitigen Tod in dem Werke der Kapitalbildung und Ersparnis
dem fleißigen und sorgsamen Menschen hinderlich werden, entgegentreten. Indem
die Lebensversicherung dem, der den besten Willen zur Ersparnis hat, auch für
den schlimmsten Fall die Vollendung seines Kapital bildenden Strebens garan
tiert, gewährt sie einen sorgenfreien Ausblick in die Zukunft und enthält einen
wesentlichen Antrieb zur Sparsamkeit. Die Anfänge der Lebensversicherung
reichen bis in das Mittelalter, wo sie in mancherlei rechtlichen Einrichtungen
zum Vorschein kommen: in dem sogenannten Wittum, dem Leibgedinge, der
Leibzucht, dem Ausgedinge, dem Rentenkauf. Aus letzterem hat sich der Leib
rentenkauf und die Einrichtung der Tontinen entwickelt. Unter einer Tontine
versteht man eine Vereinigung von Personen, welche ein Kapital zusammen
schießen mit der Bestimmung, daß die Beiträge der zuerst Verstorbenen dem Über
lebenden zuwachsen. Erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts traten eigentliche
Lebensversicherungsanstalten zuerst in England auf. In Deutschland kommen
sie erst zu Anfang des laufenden Jahrhunderts vor.
Die Lebensversicherung unterscheidet sich von den meisten übrigen Versiche
rungsarten dadurch, daß es sich dabei nicht um die Ausgleichung von Vermögens
verlusten, die durch elementare Ereignisse herbeigeführt worden, handelt, sondern
um Versicherung gegen die Gefahren, die dem menschlichen Leben drohen. Der
Grundgedanke der Lebensversicherung beruht vor allem auf einer möglichst sorg
fältigen Beobachtung der menschlichen Lebensdauer für die verschiedenen Alters
verhältissen u. s. f. Da die Statistik über die Lebensdauer der Menschen immer
bessere Anhaltspunkte bietet und die Wahrscheinlichkeitsrechnung die Möglichkeit
gewährt, diese Anhaltspunkte weiter zu verwerten, sind die Versicherungsanstalten
nicht bei der einfachsten Form der Lebensversicherung stehen geblieben, sondern
haben sehr mannigfache Fälle und Kombinationen berücksichtigt.
Hinsichtlich der technischen Einrichtung der Lebensversicherung ist zu erwähnen:
Man unterscheidet Kapitalversicherung und Rentenversicherung.
Erstere ist die wichtigere und gewöhnliche. Die Auszahlung des Kapitals kann
dabei entweder auf Lodesfall oder auf Lebensfall (bei Erreichung eines
gewissen Alters) gesichert werden. Bei weitem die häufigste Form ist die Ka
pitalversicherung auf Todesfall. Bedingungen der Annahme einer Person
zur Lebensversicherung: a. Prüfung des Gesundheitszustands (ärztliche Unter
suchung und wahre eigene Angaben). b. Pünktliche Prämienzahlung. c. Ent
sprechendes Verhalten des Versicherten. Für die Höhe der Prämienzahlung