VI. Volkswirtschaftliche Wirkungen des Warenhandels.
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rasch und vollständig zerstört. So sind ganze Städte von ihrem einstigen Wohl
stande so tief herabgesunken, daß man kaum noch die Spuren davon bemerkt.
Allerdings wirkt der Zwischenhandel auch in Bezug auf die eigene Pro
duktion der zwischenhändlerischen Nationen vielfach anregend. Man sieht die
Produkte anderer Völker, lernt ihre Bedürfnisse kennen und forscht nach, was
das eigene Land für Produktionsquellen bietet.
Jedenfalls hat der Zwischenhandel die hohe zivilisatorische Bedeutung, die
Völker einander zu nähern, nationale Vorurteile zu heben, den Menschen zum
Weltbürger ausbilden zu helfen.
Warenhandelskrisen.
Krisen im Warenhandel können eintreten infolge von wirklich eingetroffenen
oder voraussichtlichen Mißernten, infolge von plötzlichen oder drohenden Kriegen
oder anderen großen Umwälzungen im Staatsleben, durch welche Angebot und
Nachfrage, Produktion, Zufuhr oder Ausfuhr einer bestimmten Ware gehindert
werden; durch Reformen und Anderungen im Zollwesen, durch große Verbesse
rungen der Transportmittel und Anderungen der Verkehrsrichtungen u. s.
Jede Spekulation, möge sie auf das Steigen oder auf das Fallen gewisser
Warenpreise gerichtet sein, gründet sich auf abnorme Preisveränderungen und
dient zugleich als wirtschaftliches Ausgleichsmittel solcher Abnormitäten.
Als reine Warenhandelskrisen bezeichnet man nur diejenigen, welche, ohne
wesentliche Veränderungen der Produktion, bloß durch eine vorhergegangene
kaufmännische Überspekulation veranlaßt werden, d. h. durch übermäßige Ein
käufe zu erhöhten Preisen in der Hoffnung auf noch weiter steigende Preise.
Wenn dann die Lager gefüllt sind, die Spekulanten ihren Kredit aufs äußerste
angestrengt haben und die erwarteten Preise nicht eintreten, muß die Krisis folgen.
Zu den bedeutendsten und häufigsten Krisen im Warenhandel gehören die
Krisen im Kornhandel, im Kolomalwarenhandel, in dem Handel mit inländischen
Fabrikaten nach überseeischen Plätzen, im Handel mit Rohstoffen für die Fabri
kation und im Handel mit denjenigen Artikeln, deren Angebot und Nachfrage
durch Kriege wesentlich beeinflußt werden. Je mehr die Produktion und Kon
sumtion einer Ware von solchen Bedingungen abhängen, welche von keiner be
stimmten Vorausberechnung ausgehen, um so leichter führt die Spekulation mit
solchen Waren zur Überspekulation. Deshalb sind diejenigen Waren, bei deren
Erzeugung die Laune der Natur den Ausschlag gibt, in ihrer Zukunft bis zu
einem gewissen Grade unberechenbar (Ausfall der Ernte), und solchen Krisen
leichter ausgesetzt. Ähnlich steht es mit jenen Waren, die für den Export nach
fremden Ländern erzeugt werden. Da die Absatzverhältnisse fremder Länder
weniger bekannt sind, als die des eigenen Landes, wird die Konsumtionsfähig
keit des Auslandes leicht überschätzt. Deshalb sind im überseeischen Export
handel mit periodischer Abwechslung in ganz kurzen Zwischenräumen Überfüllung
des Marktes, Stockung des Absatzes, geschäftliche Krisen, dann wieder Waren
mangel, günstige Konjunkturen, große Gewinnste und wiederholte Überfüllung
des Marktes rasch auf einander gefolgt. Alle Lehren, welche der Handel von
den Krisen der Vergangenheit hätte ziehen können, sind fruchtlos geblieben.
So oft nach einer Warenhandelskrise für die durch die Spekulation im Über
maße beigebrachten Waren neue Absatzmärkte erschlossen, oder die alten nach
längerer Verschlossenheit wieder eröffnet waren, und das Geschäft sich wieder
einigermaßen gehoben hatte, sind immer wieder Überspekulationen und Über
füllungen der Märkte gefolgt.
Ein wichtiges Merkmar dafür, daß eine ursprünglich gesunde Spekulation
im Begriffe ist, in Überspekulation auszuarten, liegt dann vor, wenn die Waren
lager bei gleichbleibenden oder noch steigenden Preisen anwachsen.