Allgemeine Handelslehre.
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den Großhandel wichtig. Im Inland macht sich lebhafte Konkurrenz fühlbar
der Absatz ist bei den verschiedenen Artikeln von sehr ungleicher Regelmäßigkeit.
Sehr reichhaltige Auswahl für den Konsumenten und coulante Behandlung
desselben sind Hauptbedingungen für den Flor des Geschäfts.
Außerdem ist dasselbe, besonders die eigentlichen Modewaren, dringend auf
das Studium der Mode angewiesen. Die Mode hat die Tendenz, die Absatz
gebiete der Produktion räumlich zu erweitern, aber zeitlich zu beschränken. Die
Quantität des abzusetzenden Erzeugnisses wird dabei manchmal größer, manchmal
kleiner, der Geschäftsbetrieb keinesfalls leichter. Die ältere Industrie hatte mit
dem Muster wenig zu schaffen; heutzutage wechselt dasselbe überaus rasch. Oft
ist in einer größeren Stadt schon veraltet, was in einer benachbarten kleineren
noch als das Neueste gilt und schon winden sich wieder neue Stoffe auf den
Webstühlen, um das, was in den Großstädten noch als Neuestes gilt, zum
Trödel zu machen. Produktion und Konsumtion stürmen in Hast neuen Formen
und Farben nach. Die Konsumtion, durch die konkurrierende Eitelkeit getrieben,
verzichtet vielfach auf die Solidität zu Gunsten der Abwechslung und sucht sich
darin schadlos zu halten; die Produktion dagegen deckt sich für Verluste aus
dem Wechsel der Nachfrage dadurch, daß sie das Alte, aus der Mode gekommene
durch den kleineren Provinzialhändler an die kleinstädtischen und ländlichen Kon
sumenten absetzt und sich dafür das Neueste von den großstädtischen und reicheren
Konsumenten um so teurer bezahlen läßt, so daß stets das Neueste den Ausfall
am Preise des Veralteten ersetzt.
Das Konsumentenpublikum verlangt neue Moden, aber es macht sie
nicht. Die Produzenten sind es, welche die Mode machen. Der Produzent
ersinnt die neuen Formen und Farben der Produkte und stellt sie dem Publi
kum zur Auswahl dar. Das Publikum fühlt sich davon bald mehr, bald weniger
angeregt. Entsprechen sie dem Gange der allgemeinen Geschmacksrichtung, so
schlagen sie ein und werden Gegenstand des allgemeinen, massenhaften Ver
brauches. Entsprechen sie weniger, so werden sie, weil neu und notwendig
zwar gekauft, aber nicht sehr massenhaft, sondern nur als Lückenbüßer, bis neue
beliebtere Moden auftauchen. Alle Gegenstände dagegen, die nicht allein neu,
sondern zugleich praktisch und wirklich schön sind, halten sich über die gewöhn
liche Dauer der Mode hinaus; ja sie können sogar Gegenstände des beständigen
Konsums werden oder nach gewissen Zeiträumen wieder neuerdings in Mode
kommen. Auch das ist großenteils Verdienst des Produzenten. Wenn Gegen
stände in die Mode kommen, welche gut und praktisch sind und wenn diese
Gegenstände das Zeug haben, sich darin zu erhalten, so hat stets das größte
Verdienst dabei der Produzent, welcher die Bedürfnisse des Publikums richtig
erkannte und einen möglichst entsprechenden Verbrauchsgegenstand herstellte.
Offenbar ist es für den Produzenten viel schwieriger, die Bedürfnisse des Publi
kums zu erkennen und zu beurteilen, als es für das Publikum ist, die Zweck
mäßigkeit und Brauchbarkeit eines Artikels zu beurteilen.
Man spricht oft von dem Risiko des Produzenten und des Verkäufers
welches darin liegt, daß Produktionsprozesse mißlingen, oder daß die Produkte
keine Käufer finden. Auch das Publikum, welches kauft, hat ein gewisses Ri
siko: das Risiko des ungewissen Wertes, der schwankenden Mode. Wüßte
jeder Käufer ganz genau, daß der Kaufsgegenstand seinen Anforderungen wirk
lich voll und ganz entsprechen werde, so würden in der Regel weit höhere Preise
bezahlt. Bei Gegenständen, welche dem Publikum lang bekannt sind und nicht
in der Mode wechseln, können deshalb viel zutreffendere Preise bezahlt werden,
als bei neuen und in der Mode wechselnden Artikeln, weil die Risikoprämie
des Konsumenten wegfällt. Und wenn trotzdem jene brauchbaren und bekannten
Artikel in der Regel billiger sind, so liegt die Ursache darin, daß bei ihnen auch