IV. Formen des Warenhandels.
501
märkte, welche in den Mittelpunkten von Ackerbaudistrikten vordem wichtig waren,
sind durch die Eisenbahnen und die Ausbildung eines Getreidehandels in großem
Stile weniger wichtig geworden. Wollmärkte, welche namentlich in den östlichen
Provinzen Deutschlands üblich sind, haben heutzutage mehr Nutzen als Ausstellungen
dieses Produktes, als für den eigentlichen Verkehr. Dieser wird durch direkte
Verbindungen der Kaufleute mit den größeren Schäfereien ebensogut und weniger
geräuschvoll als auf den Märkten besorgt. In ähnlicher Weise kommen für manche
andere Landesprodukte solche Spezialmärkte vor: für Hopfen, Flachs u. s. f.
Am wichtigsten und wohl auch heute noch unentbehrlich sind Viehmärkte,
weil hier die Handelsware im ganzen Lande verstreut produziert wird und auch
die Nachfrage danach im ganzen Lande sehr zersplittert ist, während es doch
für die Käufer äußerst vorteilhaft ist, eine möglichst große Auswahl zu haben.
Es ist gerade bei diesem Handelsgegenstande notwendig, daß zu bestimmten
Zeiten und an bestimmten Plätzen das Angebot eine möglichst reichliche Aus
wahl darbiete, weshalb Viehmärkte selbst in entschiedenen Handelsländern, z. B.
in England, ihre Bedeutung auch heute noch haben.
Messen. Manche Märkte sind in der Verkehrsgelegenheit begründet: in
periodisch eintretender Anschwellung und Abnahme des durch natürliche Verhält
nisse gebotenen Warenzugs. Namentlich ist dies der Fall, wo die Waren zu
Schiffe beigebracht werden, insbesondere im Flußverkehr, ferner wo die Wege
des Landes nur zu manchen Zeiten für den Transport geeignet sind, oder wo
wegen der Gefahren des Transportes Karawanenhandel stattfindet. Die An
kunft der in größeren Massen auftretenden Fahrzeuge und Transporttiere ruft
dann notwendig eine Art Markt hervor. So insbesondere bei den Wallfahrten,
welche schon, um die in großer Zahl eintreffenden Reisenden mit dem Nötigen
zu versorgen, auch eine gewisse Zufuhr verlangen. So ist Mekka in Arabien,
Hurdwar in Östindien durch seine Wallfahrten zu einem wichtigen Meßplatze
geworden. Auch in den christlichen Ländern sind manche größere Jahrmärkte
kirchlichen Ursprungs. Alle derartigen Märkte werden als Messen bezeichnet.
Auch sie sind, wie die übrigen Jahrmärkte und wie die Wochenmärkte, durch
die Fortschritte der Transportmittel und durch die Ausbildung des Kredites
heutzutage von viel geringerer Wichtigkeit. Manche ehedem berühmte Messen
sind vollständig überflüssig geworden, z. B. die Messe von Sinigaglia, die Messe
von Beaucaire und andere. Die wichtigsten europäischen Messen haben heut
zutage noch die osteuropäischen Länder, so die berühmte Messe von Nischnij
Nowgorod und die Messe von Usundschowa in der Türkei. In Deutschland
sind jene Messen wichtig geblieben, welche mit den östlichen Ländern in nächster
Beziehung stehen: Leipzig und Frankfurt an der Oder, während die ehedem hoch
berühmten Messen in Frankfurt am Main, in Braunschweig oder gar in Naum
burg sehr zurückgegangen sind. Jene Messen, die sich überhaupt erhalten haben,
sind aus einer Anhäufung von Warenvorräten immer mehr zu freien Industrie
ausstellungen, zu Abrechnungs- und Börsentagen geworden. Mancherlei Um
stände ließen die Abwicklung und Ausgleichung geschäftlicher Beziehungen durch
die Messen besonders vorteilhaft erscheinen. So bei der deutschen Buchhändler
messe in Leipzig, wobei der ursprüngliche Zweck eines wirklichen Warenumsatzes
in das Geschäft einer großen Generalabrechnung übergegangen ist und wo neben
bei auch die Zusammenkunft der Interessenten zur Ausstellung von manchen
Artikeln, zu Besprechungen über gemeinsame Angelegenheiten benützt wird.
Es konnte auch die Bedeutung der verschwindenden Messen nicht auf die
sog. Industriebörsen übertragen werden. Solche Industriebörsen wurden seiner
Zeit an manchen Orten ins Dasein gerufen, konnten aber keinen Boden gewinnen.
Der Besuch der Messen seitens der Industriellen hat für diese den Vor
teil
ihnen den leichteren Verkauf fehlerhafter Ware zu ermöglichen; aber er