III. Die neuere Zeit vom Zeitalter der Entdeckungen bis zur franz. Revolution. 37
Mittelpunkt des großartigen niederländischen Welthandels war Amsterdam,
sowohl durch glückliche Lage, als durch Thätigkeit seiner Bürger. Warenhandel,
Frachtgeschäft, Geldhandel, Wechselwesen und Effektengeschäft waren gleich aus
gebildet; das ganze Amsterdamer Geschäft durch große Solidität ausgezeichnet.
Die bedeutenden Kapitalien, welche das kleine Volk der Niederländer durch
Sparsamkeit und Thätigkeit angesammelt hatte, machten es möglich, Darlehen
an auswärtige Fürsten zu geben, — ein neuer Zuwachs zu den vielen gewinn
bringenden Geschäften. Als merkwürdige Entartung erscheint in der Blütezeit
des niederländischen Handels der Tulpenschwindel. Die leidenschaftliche
Blumenliebhaberei der Holländer verwickelte 1634 die niederländischen Städte
in eine unsinnige Blumenspekulation. Man machte in Tulpenzwiebeln die groß
artigsten Lieferungsgeschäfte; einzelne Blumen erreichten schwindelnde Preise; für
manche Zwiebel wurden Tausende bezahlt. Der Schwindel währte nur wenige
Jahre und endete mit einer großen Ernüchterung und schweren Verlusten (1637),
Zu Ende des dreißigjährigen Kriegs (1648) stand Holland auf dem Gipfel
seiner Macht. Sein Handel umfaßte die Welt; seine Seemacht beherrschte die
Meere; in seinen Städten blühten Kunst, Wissenschaft und Industrie. Seitdem
zeigt sich Stillstand und später allmählicher Verfall. Die Größe der Holländer
hatte teilweise ihren Grund in der Schwäche und Zerrüttung der Nachbarländer.
Mit der Kräftigung derselben mußte die Macht der Holländer notwendig geringer
werden. Zuerst wurde die holländische Frachtschiffahrt durch die Navigations
akte Cromwells (1651), welche den Handel der Niederländer in England und
dessen Kolonien ungemein beschränkte, hart getroffen. Feindseligkeiten der Hol
länder folgten; kriegerische Zusammenstöße zur See ließen allmählich die Macht
der Engländer fühlen. In blutigen Schlachten unterlagen mehrmäls die Hol
länder und verloren dabei eine große Anzahl von Schiffen. In dem 1654 ge
schlossenen Frieden erlitten die Holländer zwar keine größeren Verluste, mußten
aber die Navigationsakte anerkennen.
So verloren sie den Handel nach bri
tischen Ländern und fühlten bald die Konkurrenz der Engländer in den nordischen
Meeren, der Norweger in der Fischerei, der deutschen Handelsstädte im Zwischen
handel mit Südeuropa. Im J. 1654 mußten die Niederländer auch ihre Koloni
sierungsversuche in Brasilien aufgeben; 1667 ihre nordamerikanischen Besitzungen
an England abtreten. In Frankreich suchte man ebenfalls die inländische In
dustrie zu heben, und obgleich dadurch die industrielle Überlegenheit der Holländer
noch nicht geschädigt, sondern durch die Einwanderung französischer Emigranten
sogar teilweise gesteigert wurde, ging doch die Herrschaft der Niederländer über
die europäischen Märkte mehr und mehr verloren. Trotzdem behaupteten sie in
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter ihren großen Seehelden Ruyter
und Tromp die Seeherrschaft in den nordischen Meeren und auch in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts noch eine ganz hervorragende Welthandelsstellung.
Aber im 18. Jahrhundert zeigt sich bei zwar fortdauerndem regsamen Handels
leben schon ein merklicher Verfall der politischen Bedeutung, eine ängstliche
Friedenspolitik. Die holländisch-ostindische Gesellschaft machte teils wegen äußerer
Unglücksfälle, teils wegen innerer Schäden immer schlechtere Geschäfte, führte
1783 einen unglücklichen Krieg mit England und ging endlich zu Grunde.
Die sog. spanischen Niederlande, d. h. jener Teil der Niederlande,
welcher nach der Trennung der nördlichen Provinzen bei Spanien geblieben war,
konnten sich lange nicht von den Verheerungen erholen, welche sie durch die
spanische Herrschaft und durch spätere Kriege erlitten hatten. Zuerst erholte sich
der Ackerbau; Flachskultur, Leinen- und Spitzenfabrikation blühten auf. Als
die spanischen Niederlande 1713 wieder an Österreich kamen, nahm ihre Pro
duktion noch rascheren Aufschwung. Der Landbau fing an zu exportieren, die
Industrie fand in dem Reichtum an Steinkohlen und Metallen die Grundlage