Full text: Handbuch der gesamten Handelswissenschaften für ältere und jüngere Kaufleute, sowie für Fabrikanten, Gewerbetreibende, Verkehrsbeamte, Anwälte und Richter (1)

Der Industrie= und Fabrikbetrieb. 
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Die Produktion mit fremdem Kapital nimmt aber wieder verschiedene For 
men an, je nach der Art der Verzinsung und Heimzahlung der geliehenen Werte. 
Die einfachste Form, die des Darlehens, kommt namentlich im Klein 
gewerbe nicht selten vor, findet sich aber auch unter der Form von Anleihen 
In wirtschaftlicher Hinsicht hat sie das Eigen 
bei großen Unternehmungen. 
tümliche, daß sie in der Regel nicht wegen einzelner bestimmter Produktions 
handlungen in Anspruch genommen wird, sondern zum Zwecke der Gründung 
oder Erweiterung des ganzen Geschäfts oder zur Erhaltung desselben in Stür 
men und Krisen. 
Daraus erklärt es sich auch, daß diese Form der Kreditbenützung keine 
kurzen Rückzahlungsbedingungen erträgt. Das Kapital wird aufgenommen, um 
ein Geschäft zu gründen und fortzuführen, um eine längere Reihe von Jahren 
hindurch Erträge daraus zu ziehen; aus den Überschüssen der jährlichen Erträge muß 
daher die Schuld im Laufe längerer Zeiträume nach und nach zurückbezahlt werden. 
Bei allen solchen Geschäftsdarlehen ist es nicht allein für den Gläubiger, 
sondern auch für die Schuldner wichtig, daß die andere Partei solid und zah 
lungsfähig ist. Weshalb für den Gläubiger, das bedarf keiner Erläuterung 
für den Schuldner ist ein zahlungsfähiger Gläubiger deshalb nötig, weil im 
Falle eines Konkurses desselben der Schuldner das geliehene Kapital den Kon 
kursgläubigern seines Gläubigers herauszahlen muß und eine solche unerwartete 
Verringerung seines Geschäftskapitals sehr störend wirken könnte. 
Betriebskredit. Im allgemeinen sollte die Kreditwirtschaft auf dem Gebiete 
des industriellen Betriebs viel mehr vermieden werden, als dies in Wirklichkeit 
geschieht. Barwirtschaft sollte die Regel, Kreditwirtschaft nur die Ausnahme 
sein. Eine vorzugsweise mit Kreditkapitalien arbeitende Produktion hat mit viel 
mehr Schwierigkeiten zu kämpfen, als eine auf Barkapital ruhende; sie ist un 
selbständiger und leidet unter dem fortwährenden Drucke der Gefahr, daß die 
Kreditkapitalien zurückgezogen werden. Wie es in der Landwirtschaft nichts Un 
günstigeres gibt, als ein tief verschuldetes Besitztum, so auch beim industriellen 
Betriebe. Die mit großen Schuldverhältnissen behaftete Produktion ist von 
häufigen Krisen heimgesucht. 
Mit der Kreditwirtschaft beginnt für ein Geschäft die Gefahr, daß Ge 
schäftsverluste und Unregelmäßigkeiten zum Bankrott führen. 
Den Wechselkredit kann der Industrielle in passiver Richtung entweder 
in der Weise benützen, daß er seine Einkäufe mit trockenen, erst nach einer 
gewissen Frist fälligen Wechseln bezahlt, oder in der Weise, daß er von seinen 
Kunden, welche nicht auf der Stelle bar bezahlen wollen, sich mit Tratten be 
zahlen läßt, welche erst nach einiger Zeit fällig sind, und daß er diese Tratten vor 
Ablauf der Frist verkauft, diskontiert. Beides sind indessen Wege, welche keineswegs 
unbedenklich und auch den bezüglichen Geschäftsfreunden oft nicht annehmbar sind. 
Wer Rohstoffe auf Kredit kauft, ist in viel ungünstigerer Lage, als 
der Barkäufer. Der Verkäufer wird sich die Stundung des Preises entweder 
durch höheren Preisansatz oder durch die Lieferung schlechterer Waren vergüten 
lassen; in der Regel sogar durch Beides. Der Lieferant schlechter Rohstoffe hat 
ein Interesse daran, seine schlechte Ware bei borgenden Käufern anzubringen, 
weil die Barkäufer sie nicht nehmen oder zu schlecht bezahlen würden. Für den 
borgenden Kunden hält sich der Verkäufer den Ausschuß. Der Barkäufer steht 
dagegen selbstbewußt auf dem Markte; ihm bietet sich die reichste Auswahl; er 
kann seinerseits wieder seine Kunden auf das Beste bedienen. Er verdient beim 
Einkauf wegen seiner Warenkenntnis und Barüberlegenheit und verdient beim 
Verkauf durch die Möglichkeit freierer Preisstellung und rascheren Umsatzes. 
Erst die bare Kasse gewährt in allen wirtschaftlichen Lagen die Vorhand 
von ihr hängt die wirtschaftliche Kraft und Freiheit des Unternehmers ab. Dies
	        
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