Full text: Handbuch der gesamten Handelswissenschaften für ältere und jüngere Kaufleute, sowie für Fabrikanten, Gewerbetreibende, Verkehrsbeamte, Anwälte und Richter (1)

Der Industrie= und Fabrikbetrieb. 
454 
mehr möglich, je weniger wichtig die physische Kraftäußerung, je wichtiger dagegen 
Geschmeidigkeit und Schnelligkeit der Hände und Finger, geduldige Aufmerksam 
keit und der den Frauen eigentümliche Sinn für Sauberkeit und Accuratesse sind 
Soll die industrielle Frauenarbeit für die beteiligten Arbeiterinnen wirklich 
eine unschädliche Erwerbsart sein, so muß sie von tiefen Schäden befreit werden. 
Von den Unternehmern allein kann man eine Beseitigung dieser Schäden nicht 
erwarten, weil die Unternehmer nicht alle human denken. Ebensowenig ist eine 
rasche Beseitigung dieser Schäden durch die Arbeiterinnen selbst zu hoffen, son 
dern nur durch langjährige Arbeitssitte, welche aus dem Verhältnis der Arbeiter 
zu den Unternehmern, aus den Lohnverhältnissen, der Volksbildung rc. heraus 
wächst. Wenn die Gesetzgebung nicht einschreitet, zerrüttet die Frauenarbeit in 
den Fabriken das Familienleben der Arbeiterklasse. 
Vielfach werden heutzutage Kinder in den Fabriken und in der Manufaktur 
Spin 
verwendet, so z. B. in den Nähnadel- und Stahlwarenfabriken, in den 
nereien und Webereien, bei der Tabaksfabrikation ec. Nur der herzloseste 
Egoismus kann behaupten, daß das frühzeitige Heranziehen der Kinder 
zur 
Erwerbsthätigkeit unschädlich und absolut notwendig sei. Zu oft werden die 
Kinder durch die Roheit und Habsucht ihrer Eltern zur Arbeit getrieben 
die 
Habsucht der Unternehmer macht auf das Rücksichtsloseste hiervon Gebrauch und 
läßt die Kinder in einer Weise arbeiten, welche ihren körperlichen, sittlichen und 
moralischen Ruin zur Folge hat. Von den Arbeitgebern Beseitigung der Kinder 
arbeit erlangen zu wollen, wäre Illusion. Die humanen Unternehmer, welche 
damit anfangen wollten, würden durch die Konkurrenz der minder humanen 
bald genötigt, hiervon abzusehen und die Kinder zu behalten. Die Regulierung 
der Kinderarbeit ist also nur auf dem Wege der Gesetzgebung möglich. 
Die Gesundheit der Arbeiter. Fast alle industriellen Arbeiten schaden der 
Gesundheit der Arbeiter in irgend einer Richtung. 
Das Arbeitsmaterial wird durch den industriellen Prozeß immer mehr von 
seinem Naturzustande entfernt. Es werden dabei Schädlichkeiten entbunden und 
konzentriert, welche in den Naturgestaltungen gebunden und zerstreut lagen, so 
daß sie erst in jener Freiheit und Konzentration recht schädlich wirken können. 
Und auch die Arbeitsbewegung wird von der natürlichen, dem menschlichen Orga 
nismus angemessensten Bewegung, dem affenartigen Turnen, Springen und 
Laufen entfernt, vereinseitigt, ihrer Reize beraubt, gesteigert und konzentriert. 
So werden Staub, Gase, grelles Licht, hohe Temperatur, Explosionen 
Herabstürzen von Material und Werken (im Grubenbetrieb und bei Bauten) 
anhaltend stehende, gebeugte, sitzende oder knieende Haltung zu Feinden des 
Arbeiterlebens. Als Schutzmittel hiergegen sind Ventilation, gehörige Ruhepausen, 
hinreichende Abwechselung und Ablösung dringend erforderlich, manchmal auch 
bessere Fabrikationsmethoden, Werkzeuge und Apparate, unschädliche Rohstoffe. 
Endlich repressive Maßregeln: Krankenunterstützungskassen, Unfallversicherung. 
Einigungsämter. Zweck der Einigungsämter ist es, die Harmonie 
zwischen Arbeitgebern und Arbeitern herzustellen. Das Einigungsamt, aus 
Vertretern der Arbeiter wie der Fabrikanten bestehend, führt die beiden Parteien 
in ruhiger Beratung zusammen, um Lohn, Arbeitszeit und andere das Verhält 
nis beider Teile regelnde Bestimmungen zu beraten und festzusetzen. 
Vorteile dieser Amter liegen schon darin, daß überhaupt Verhandlungen 
stattfinden, daß die Fabrikanten die Arbeiter bei der Feststellung des Lohnes 
und der wichtigsten Arbeitsregeln mitraten lassen. Beide Teile lernen sich besser 
kennen und verstehen; gegenseitige Vorurteile verschwinden; jeder sucht seine 
Sache im Frieden zu verteidigen und sieht dabei mehr und mehr ein, wo die 
Gegenpartei Zugeständnisse verdient und wo nicht. 
Die Hauptsache, nämlich die Lohnfrage, findet eher Gelegenheit zu gedeih¬
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer