V. Der Betrieb.
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gange. Wenn 10 Arbeiter täglich zusammen 100 Stunden arbeiten und der
Unternehmer zahlt ihnen dafür täglich 30 Mark, so hat das keineswegs den
selben Erfolg, als wenn die 10 Arbeiter bloß 90 Stunden gearbeitet, dafür
aber auch bloß 27 Mark erhalten hätten. Denn in letzterem Falle liegt das
ganze Anlagekapital des Unternehmers täglich um eine Stunde länger brach; seine
ganze geschäftliche Leistung wird verzögert und ebenso der Erfolg dieser Leistung.
Dem steht aber als weit überwiegender Vorteil der kürzeren Arbeitszeit
entgegen, daß bei übertrieben langer Arbeitszeit nicht mehr geleistet werden kann,
als bei mäßiger, wenigstens in den meisten Arbeitszweigen. Denn die Ermüdung
des einen Tages zieht sich in den anderen hinüber, so daß der Arbeiter auf die
Dauer leistungsfähiger bleibt, der 10, als jener, der 12 Stunden arbeitet. Darum
ist für den Unternehmer die Abkürzung der Arbeitszeit keineswegs allemal ein Nachteil.
Bei Stücklohn wissen die Arbeiter selbst die Arbeitszeit am besten zu be
messen. Hier wird der Unternehmer bei den Arbeitern Widerspruch finden, wenn
er die Arbeitszeit abkürzen wollte.
Eine Festsetzung der Arbeitszeit ist aber auch
hier begründet durch die Ordnung
des ganzen Geschäftsgangs, durch das not
wendige Miteinanderarbeiten der Arbeiter, durch die Notwendigkeit einer gehörigen
Ausnützung des Anlagekapitals,
insbesondere der Maschinen, durch die Ver
pflichtungen, welche der Arbeitgeber seinen Abnehmern gegenüber übernommen hat.
Nachtarbeit ist bald durch die Natur des Produktes geboten, welches
täglich in die Hände des Publikums kommen soll (Zeitungsdruck, Brotbereitung);
bald zwingt die Natur zu möglichster Hast und droht über Nacht wieder zu zer
stören, was bei Tage geschafft wurde, wenn nicht fortwährend daran gearbeitet
wird (z. B. bei manchen Wasserbauten); bald drängt die Nachfrage nach un
gewöhnlich rascher Vollendung der Arbeiten (z. B. bei wichtigen Bauten, großen
Armeelieferungen); bald verlangen die im Unternehmen liegenden Kapitalien
ununterbrochene Beschäftigung, um eine möglichst hohe Rente zu geben. Letzteres
ist sowohl dann der Fall, wenn die Nachfrage nach den Erzeugnissen eine kaum
beschränkte ist und sehr große Massen von teuren, stehenden Kapitalien ange
wendet werden, als auch dann, wenn ein technischer Prozeß, der einmal be
gonnen (Schmelzprozesse), überhaupt nicht in einem Arbeitstage durchgeführt
werden kann. Ja bei allem Dampfmaschinenbetrieb erscheint, weil ja die Unter
brechung der Arbeit immer Heizmaterialverluste zur Folge hat, ununterbrochene
Arbeit von diesem Gesichtspunkte aus als ökonomischer.
Ihre Nachteile liegen in der Gesundheitsschädlichkeit, den notwendig höheren
Löhnen, den Beleuchtungskosten und der geringen Quantität und Qualität der
Arbeitsleistung. Wegen dieser Nachteile wird doch oft die Lohnkalkulation eine
ausschließliche Tagesarbeit ökonomischer erscheinen lassen.
Die Gesetzgebung sollte die Nachtarbeit auf das Unerläßliche beschränken
doch
müßten zu diesem Zwecke alle Kulturstaaten einmütig vorgehen.
Schon öfter ist, insbesondere in neuester Zeit im Programm der deutschen
Sozialdemokratie, die Förderung eines Normalarbeitstages aufgetaucht.
Einem solchen Normalarbeitstag stehen zwar große Hindernisse entgegen, weil
er, der verschiedenen Arbeitsanstrengung entsprechend, nicht für alle Arbeiten
gleich lang zugemessen werden sollte; doch wäre er jedenfalls ein wünschens
wertes Ziel. Eine Einigung über das Maximum der zulässigen Arbeitszeit
setzt aber wohl ein Zusammengehen aller Kulturvölker voraus. Mancher Schritt
zur Verbesserung ist schon geschehen; erwähnenswert namentlich die lebhafte Agi
tation in England zur Festsetzung eines zehnstündigen Arbeitstages, sowie ein
Gesetz der Ver. Staaten (1868), nach welchem für die von der Regierung be
schäftigten Handwerker der Arbeitstag 8 Stunden betragen soll.
Frauen= und Kinderarbeit. In gewissen Industriezweigen ist die Frauen
arbeit technisch und wirtschaftlich der Männerarbeit überlegen. Dies ist um so