Grundzüge der Nationalökonomie.
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land die Edelmetalle zu erhalten und eine günstige Handelsbilanz zu bekommen.
Dieser Wunsch führte zunächst zu Verboten der Edelmetallausfuhr (schon im
alten Rom, häufig auch im Mittelalter). Später kam dazu der Wunsch, Lebens
mittel und Rohstoffe im Interesse der Konsumenten auf niedrigen Preisen zu
erhalten; sodann die Fürsorge für hinreichende Beschäftigung der einheimischen
Gewerbe. Sie führte zuerst zu Verboten des Verkaufs einzelner fremder Waren
(in Italien im 13., in Flandern im 14., in Venedig und England im 15.
Jahrhundert). Endlich kam hierzu auch noch die Absicht einer Erziehung der
Völker zu harmonischer und allseitig entwickelter Produktion (besonders vertreten
durch Fr. List). Je lebhafter der Verkehr der Nationen wurde, um so reicher
mußten natürlich die von der Handelspolitik gewonnenen Erfahrungen werden.
Die Aus= und Einfuhrverbote verschwanden mehr und mehr; man erkannte,
daß auch mit bloßen Zöllen schon sehr bedeutend auf die Aus= und Einfuhr
eingewirkt werden konnte. Ein Zoll, welcher so hoch ist, daß er die Ein= oder
Ausfuhr vollständig unmöglich macht, hat dieselben Wirkungen, wie ein völliges
Einfuhr= oder Ausfuhrverbot (Prohibitivsystem). Ein mäßiger Einfuhrzoll da
gegen bewirkt nur eine künstliche Verteuerung der auswärtigen Produkte zu
Gunsten der inländischen Produktion. Freilich belästigen und erschweren die
Schutzzölle den Verkehr und erfordern bedeutenden Aufwand an Beamtenpersonal
und Verwaltungskosten. Vorteilhaft ist an ihnen, daß sie je nach der Gefähr
lichkeit der auswärtigen Konkurrenz für jedes Produkt besonders ausgemessen
werden können. Je höher der Zoll angesetzt wird, um so stärker ist der ge
währte Schutz, und je weniger notwendig der Schutz wird, je mehr sich das in
ländische Gewerbe kräftigt, umsomehr läßt sich allmählich der Zollbetrag verringern.
a) Bezüglich der Einfuhrzölle fragt sichs, von welchen Einfuhrartikeln
sie erhoben werden sollen. Hier geht man von folgenden Grundsätzen aus:
Dabei sind
In erster Linie muß natürlich das Bestehende erhalten werden.
aber keine abstrakten Theorien, sondern die thatsächlichen Verhältnisse entschei
dend. Die große Masse der Bevölkerung, vom Arbeitslohne lebend, kann eine
Erschütterung der Produktion nicht ertragen; und wenn eine bestimmte Gliede
rung der Produktion durch alte Schutzzölle hervorgerufen ist, darf man nicht
durch plötzliche Aufhebung des Schutzes große Gewerbe vernichten.
Ist daher ein inländisches Gewerbe im stande, durch vermehrte Anstrengung
die ausländische Konkurrenz auszuhalten, dann ist ihm der Zollschutz zu versagen.
Wenn dagegen ein Gewerbe durch eigene Anstrengung nicht im stande ist, die
auswärtige Konkurrenz auszuhalten, wenn es aber durch vorübergehenden Schutz
gekräftigt werden kann, so daß es später diese Konkurrenz aushält, dann kann man
ihm einen solchen vorübergehenden Schutz belassen. Wenn dagegen ein Gewerbe
nicht durch vorübergehenden Schutz bis zur ausdauernden Selbständigkeit gekräf
tigt werden kann, sondern eines beständigen Schutzes bedürfte, so verdient es einen
Schutz wohl nur dann, wenn es ein altes Gewerbe ist, wenn der Schaden seines
Unterganges sehr bedeutend wäre und wenn der Schutz nicht übermäßig viel kostet.
Es ist auch nicht auf jeder Stufe wirtschaftlicher Entwicklung ein Zollschutz
am Platz. Dort, wo die große Menge des Volkes noch nicht hinlänglich ge
bildet ist, wo noch keine bedeutenden Bedürfnisse nach industriellen Produkten
sich regen, soll man Viehzucht und Landwirtschaft treiben und nicht eine künst
liche und verfrühte Industrie unterstützen. Es ist auch in jedem Falle zu
prüfen, ob das nach Zollschutz verlangende Gewerbe wirklich bloß mit Hinder
nissen zu kämpfen hat oder ob ihm nicht auch eigentümliche Begünstigungen
förderlich sind, deren die ausländischen Konkurrenzgewerbe ermangeln.
Zeigt sich, daß ein Gewerbe trotz eines mäßigen Schutzzolles der auslän
dischen Konkurrenz gegenüber sich nicht halten kann, dann verdient der Schutzzoll
sofort aufgehoben zu werden. Wann ein Gewerbe reif genug ist, um des Schutz¬