Grundzüge der Nationalökonomie.
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können nämlich die Arbeiter in solchen Zeiten, wo eine vermehrte Nachfrage
nach ihren Leistungen höhere Löhne gewährt, diese Lohnhöhe dazu benützen, um
entweder ihre wirtschaftliche Lebensart zu steigern oder um sich frühzeitiger zu
verheiraten und die Arbeiterbevölkerung zu vermehren. Im ersten Falle werden
sie auf die Dauer eine bessere Lebensstellung erringen, im zweiten das Angebot von
Arbeitskräften vergrößern und die höheren Löhne dadurch bald wieder niederdrücken.
b) Die Opfer an Bequemlichkeit, welche gebracht werden müssen, um
die Arbeit leisten zu können. Arbeit verzehrt Leben und alle Arbeiten, welche
besondere Anstrengung erfordern, sind deshalb auch höher bezahlt. Ebenso alle
Arbeiten, welche die Gesundheit des Arbeiters in irgend welcher Weise gefährden
sei es, daß die Stellung eine ungesunde ist, daß der Arbeiter mit ungesunden
Stoffen sich beschäftigt oder unter häufigen Unglücksfällen zu leiden hat. In
allen diesen Fällen erscheint ein Teil des Lohnes als besondere Prämie für
die Schädlichkeit der Arbeit.
Ein weiterer Bestandteil der Produktionskosten der Arbeit sind die
Bildungskosten. Lange und kostspielige Ausbildung des Arbeiters muß durch
den Arbeitslohn ersetzt werden. Sie erscheint als ein Kapital, welches samt
Zinsen dem Arbeiter wieder vergütet werden muß. Und zwar muß die Ver
gütung deshalb eine hohe sein, weil ja der Arbeiter, der sich für eine derartige
Thätigkeit heranbildet, riskiert, durch den Tod an der Ausübung verhindert zu
werden und dann sein ganzes Bildungskapital verloren zu haben.
d) Manchmal erscheinen unter den Produktionskosten auch besondere lau
fende Ausgaben, die der Arbeiter machen muß, um arbeiten zu können, z. B.
eine eigens gestaltete Umgebung, kostspielige Arbeitsmittel u. dergl.
Der Einfluß der Produktionskosten auf den Arbeitslohn ist zum Ausgangs
punkt des sog. Ricardo'schen Lohngesetzes geworden, nach welchem auf die Dauer
der durchschnittliche Arbeitslohn mit den Produktionskosten der Arbeit zusam
menfällt. In neuester Zeit machte Lassalle (ehernes Lohngesetz) diese Lehre zur
Grundlage seiner agitatorischen Thätigkeit.
4. Der Wert des Lohnes. Auch dieser ist etwas Zusammengesetztes:
Es frägt sich dabei:
a) wieviel Bedürfnisse können überhaupt mit dem Lohne befriedigt wer
den? Steht das Geld gegenüber den wichtigsten Lebensbedürfnissen niedrig im
Preise, sind also namentlich Lebensmittel und Wohnung teuer, so muß der Lohn
ein hoher sein, sind sie billig, so kann er niedriger sein. Werden die Lebens
mittel wohlfeil, so pflegt in der Regel der Lohn zu sinken; umgekehrt wird
er steigen müssen, wenn sie teurer werden. Diese Übergänge geschehen nicht
plötzlich. Während sie stattfinden, treten bedeutende Anderungen in der Wohl
fahrt des Arbeiterstandes ein.
b) Es frägt sich ferner, ob in Zukunft eine Erhöhung des Lohnes zu er
warten ist. Ein allmählich steigender Lohn kann anfangs viel kleiner sein als
ein gleichbleibender. Das Wachstum des Lohnes macht also ebenfalls einen
Teil seines Wertes aus. Und es ist in diesem Falle die Hoffnung, oder, wenn
man will, die zukünftigen Bedürfnisse, welche den Ausschlag geben.
c) Es frägt sich, ob neben dem Geldlohne vielleicht auch in Ehre gelohnt
werde; eine Art von Lohn, die für viele ebensoviel oder viel mehr Wert hat,
als der Geldlohn.
d) Ferner frägt sich, ob der Lohn sicher fortfließen wird oder ob Gefahr
vorhanden ist, daß die Lohnzahlung plötzlich aufhört. Auch die Sicherheit
der Lohnzahlung bildet also einen Teil ihres Wertes. Jeder Mangel an
dieser Sicherheit, jedes wirtschaftliche Risiko einer Arbeit muß durch eine beson
dere Prämie aufgewogen werden. Pensionsansprüche dagegen müssen notwendig
den Lohn der Gegenwart erniedrigen. Bei solchen Arbeiten, welche häufige