IV. Das Einkommen und seine Verteilung.
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Die Natur selbst liefert bloß eine Ausbeute; sowie man dagegen von Ernte
oder Ertrag spricht, kann sie schon nicht mehr allein betrachtet werden. Dies ist
auch schon deshalb nicht möglich, weil bei einem lediglich von der Natur geschenkten
Einkommen weder von einem Kostenersatz noch von einem Risiko die Rede ist.
Der Arbeitslohn.
Wesen des Lohnes. Der Lohn der Arbeit ist ursprünglich das Produkt,
welche sie hervorgebracht hat; wo einmal Arbeitsteilung und Zirkulation sich
entwickelt haben, wird für die Arbeitsleistung ein anderes Produkt eingetauscht
oder Geldlohn bezahlt. Aber auch der Geldlohn ist nichts anderes als ein
umgewandeltes Arbeitsprodukt. Derjenige Arbeiter, welcher die Leistung seiner
Arbeit selbst genießt, hat einen genauen Maßstab für das Verhältnis zwischen
dem Werte der Leistung und der aufgewandten Arbeit. Dieser Maßstab wird
immer unsicherer, je mehr die Arbeitsteilung und das System des Geldlohnes
um sich greift.
Bestimmungsgründe des Lohnes. Der Lohn ist der Preis, welcher
vom Arbeitgeber für die Arbeitsleistung gezahlt wird und dieser Preis hat
dieselben Bestimmungsgründe wie jeder andere Preis. Nur darf deshalb die
Arbeit nicht etwa als eine Ware von denselben Eigenschaften wie jede andere
Ware betrachtet werden. Die Bestimmungsgründe der verschiedenen Lohnhöhe sind:
1. Der Wert der Arbeit. Wer einen Arbeiter in Lohn nimmt, denkt
zuerst über den Wert der zu erwartenden Arbeitsleistung nach. Kein Arbeit
geber kann mehr Lohn für die Arbeit bezahlen, als sie selbst wert ist. Der
Wert der Arbeit aber richtet sich wieder nach dem Zwecke des Unternehmens
und nach dem Gesamtertrage desselben. Der Lohn könnte so hoch steigen, daß
er dem Arbeitgeber keinen Reingewinn übrig ließe. Höher wird er aber nicht
steigen, weil sonst die Produktion aufgegeben würde. Und selbst, wenn der Lohn
so hoch steigt, wird der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nur fortbezahlen in der
Hoffnung auf eine bessere Zukunft des Geschäftes. Bei anderen als gewinn
bringenden Arbeiten wird, wenn die Arbeiten Affektionswert haben, unter Um
ständen der höchste Affektionspreis gezahlt.
2. Die Zahlungsfähigkeit der Arbeitgeber wirkt ebenfalls bestim
mend auf die Höhe des Lohnes. Diese Zahlungsfähigkeit hängt aber wiederum
von der Größe und Verteilung des Volkseinkommens ab. Je größer die Nach
frage nach den Produkten der Arbeit, um so höher ist der Lohn, welchen die
Arbeitgeber zahlen können. Diese Nachfrage bestimmt sich aber, wie erwähnt,
durch die Verteilung des Volkseinkommens.
3. Die Produktionskosten der Arbeit. Diese setzen sich aus ver
schiedenen Einzelheiten zusammen, namentlich:
a) aus den Lebensbedürfnissen der Arbeiter und ihrer Familien. Unter
diejenige Höhe des Lohnes, die zur Befriedigung der notwendigsten Lebensbe
dürfnisse erforderlich ist, kann der Lohn nicht leicht sinken, oder wenigstens nicht
auf die Dauer in solcher Tiefe stehen bleiben. Denn die Arbeiter würden durch
Auswanderung, durch Verminderung der Heiraten und Geburten, durch Elend
und vermehrte Sterblichkeit rasch an Zahl abnehmen und durch die so vermin
derte Nachfrage der Lohn wieder steigen. Die Lebensbedürfnisse des Arbeiters
und der Arbeiterfamilien sind aber länderweise sehr verschieden. Je günstiger
das Klima, desto weniger bedarf eine Familie an Kleidung, Heizung, Wohnung
und Nahrung. In manchen Ländern und Städten haben sich die Arbeiter seit
längerer Zeit eine höhere Lebenshaltung angewöhnt, und dies wirkt ebenfalls
auf die Lohnhöhe. Hieraus geht auch hervor, daß die Bestimmung der Lohn
höhe zum großen Teile in den Händen der Arbeiter selbst liegt. Wenn auch
nicht immer die gegenwärtige, so doch jedenfalls die zukünftige Lohnhöhe. Es