Dritter Abschnitt.
Grundzüge der Nationalökonomie.
I. Wesen der Volkswirtschaft.
Bedürfnisse, Bedarf.
Ursache aller Wirtschaft sind die Bedürfnisse. Bedürfnis nennt man die
empfundene Mangelhaftigkeit eines Zustands. An je mehr Punkten ein Zustand
mangelhaft ist, um so mehr Bedürfnisse sind vorhanden.
Bedarf nennt man
gewöhnlich die Gesamtheit der Gegenstände und Leistungen
welche erforderlich
sind, um die Bedürfnisse eines einzelnen, einer Familie,
eines Volkes oder
Staates u. s. w. zu befriedigen. Die Bedürfnisse werden, indem
sie nach Be
friedigung streben, zur That, zu einem Kampf des Menschen um
sein Dasein
und um sein Glück. Die Bedürfnisse sind teils Bedürfnisse der Selbsterhal
tung, welche sich auch bei den rohesten Menschen und Völkern
finden, teils
Bedürfnisse der Vervollkommnung, in deren Entstehung und Befriedigung
die Kulturaufgabe der Menschheit liegt. Die Stärke der Bedürfnisse zeigt sich
teils in dem Grade der Unzufriedenheit, den dieselben im Menschen erzeugen
teils in der Menge von Gütern, welche zur Befriedigung der Bedürfnisse nötig
sind. Die Bedürfnisse sind entbehrliche oder unentbehrliche, aufschiebliche oder
dringliche, gegenwärtige oder künftige. Alle Ersparnis erwächst aus der Be
rücksichtigung künftiger Bedürfnisse neben den gegenwärtigen. Die künftigen
Bedürfnisse fordern eine solche Berücksichtigung um so energischer, je gewisser
sie sich vorausberechnen lassen. Nach
ihrer Verbreitung sind die Bedürfnisse
allgemein menschliche, nationale, besondere (z. B. Standesbedürfnisse)
oder ganz persönliche. Je nachdem eine ständige oder wandelbare Güter
menge zu ihrer Befriedigung nötig ist, unterscheidet man ständige oder un
ständige, und je nachdem dieser Bedarf vorausgesehen war oder nicht, ordent
liche und außerordentliche Bedürfnisse.
Die meisten und sehr wichtige Bedürfnisse entstehen nur durch das Zu
sammenleben der Menschen. Die Bedürfnisse enden mit ihrer (mehr oder weniger
freiwilligen) Abweisung oder mit ihrer (gänzlichen oder teilweisen) Befriedigung.
Mit vollkommener Befriedigung enden nur die wenigsten, rohesten Bedürfnisse.
Mit der zunehmenden Zivilisation nehmen auch die Bedürfnisse zu und werden
im Zusammenleben der Menschen gerne gleichartig, sie werden zur Mode.
Neben den Bedürfnissen des einzelnen Menschen gibt es Staatsbedürfnisse,
Kommunalbedürfnisse, Korporationsbedürfnisse. Die Mannigfaltigkeit der Be
dürfnisse führt zu einer Konkurrenz derselben, welche sich im einzelnen
Menschen, wie in der Wirtschaft ganzer Völker zeigt. Das Ziel dieser Kon
kurrenz ist die Befriedigung der Bedürfnisse; die Entscheidung darüber verlangt