Das Königreich der Niederlande.
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der Gartenbau und große hervorragende Blumenzucht, welche selbst schon
Gegenstand großartiger, unübertroffener Spekulation geworden ist. Die Vieh
zucht wird rationell und ungemein fleißig betrieben. Namentlich wichtig ist
die durch alle Provinzen verbreitete Rindviehzucht, welche Butter und Käse
als wichtige Handelsartikel für die Ausfuhr liefert. Die Zucht von Schafen,
ziegen und Schweinen ist geringer. Die Pferdezucht liefert tüchtige Arbeitstiere.
Die Fischerei ist ein wichtiger Erwerbszweig, wenn auch nicht mehr so
lebhaft betrieben, wie ehedem. Einst ernährte die Heringsfischerei circa
100000 Personen, jetzt konkurriert sie mit der schottischen und norwegischen
Fischerei, doch behauptet der holländische Hering immer noch den besten Ruf.
Man unterscheidet große und kleine Heringsfischerei. Die große arbeitet mit
etwa 90 Schiffen, die kleine mit etwa 180. Die große Fischerei wird an schot
tischen und englischen Küsten, die kleine an den S.N.O.-Küsten ausgeübt. Neben
den Heringen werden auch Schollen, Thunfische, Steinbutten und andere Fisch
gattungen gefangen, Robben geschlagen und Walfischfang getrieben. An Wal
dungen fehlt es dem Lande, so daß fast der ganze Holzbedarf eingeführt
werden muß; Bergbau wird fast gar nicht betrieben. Torf dagegen ist in
mächtigen Lagern vorhanden und er wird massenhaft ausgebeutet. In den
Fabriken wird er mehr und mehr durch die Steinkohle verdrängt, die aus Bel
gien, England und Preußen eingeführt wird.
Industrie. Die Niederlande sind kein Industriestaat, obgleich manche In
dustriezweige florieren. Am höchsten stehen jene Industrien, welche mit der
Schiffahrt und dem Seehandel in Verbindung stehen. Man zählt 6—700
Schiffswerften, davon etwa 150 für den Bau von Seeschiffen, welche durch
ihre Solidität bekannt sind. Die wichtigsten Schiffswerften sind zu Amsterdam,
Rotterdam, Zaardam, Dordrecht und Vließingen. In neuerer Zeit ist wegen
des Eisenbahnbaues und der zunehmenden Eisenkonstruktion beim Schiffbau die
Eisenindustrie lebhaft. Berühmt ist die holländische Leinenindustrie. Die
Wollindustrie war früher wichtiger, erzeugt aber noch feine Tuche. An
den Seeplätzen starke Fabrikation von Segeltuch und Tauwerk. Eine Spe
zialität der holländischen Industrie ist die Papierfabrikation, ebenso Brannt
weinbrennerei mit starkem Export, Zuckerraffinerie und Tabakfabri
kation. Ausgedehnte Gerberei, Gold- und Silberwaren, Thonpfeifen noch
nennenswert.
Handel. Der niederländische Handel hat immer noch einen großartigen
Zug, obgleich er von seiner einstigen Höhe sehr herabstieg. Er ist sowohl im
Innern auf den zahllosen Wasseradern, als auch über See ungemein thätig
wozu die sorgfältige Regelung des Kanalwesens, die rationelle Zollgesetzgebung,
Handelsverträge u. dgl. viel beigetragen haben. Die Niederlande importieren
hauptsächlich, teils zum eigenen Verbrauche, teils zur Wiederausfuhr, Kolonial
waren aus ihren Kolonien, namentlich Kaffee, Zucker, Reis, Indigo und Zinn.
ür den eigenen Bedarf werden hauptsächlich Manufakturwaren und Stein
kohlen aus England, Deutschland und Belgien, Getreide aus den Ostseeländern
Bau= und Schiffholz aus Norwegen und den Rheingegenden, Wein aus Frank
reich eingeführt. Dem Werte nach sind die wichtigsten Gegenstände der Ein
fuhr: Getreide, Kolonialwaren, Rohmetalle, Spinnstoffe, Häute und Leder, Erze
und Steine, Sämereien und Früchte. Die wichtigsten Ausfuhrwerte sind
Kolonialwaren, Tiere und tierische Nahrungsmittel, Spinnstoffe, Rohmetalle,
Getreide, Garn, Droguen und Farbwaren. Die gesamte Einfuhr reprä
sentierte zuletzt einen Jahreswert von über 800, die Ausfuhr einen solchen
von über 500 Mill. Gulden. Die Ausfuhrartikel sind teils eigene Produkte,
teils durchgeführte Kolonialwaren. Von eigenen Produkten exportieren die
Niederlande: Gemüse, Vieh und Butter nach London, Fische und Käse. Die