Full text: Kowalzig, F.: Ueber Bestrafung des Arbeitsvertragsbruches und über Gewerbegerichte

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Diejenigen, durch welche England als nachahmungswürdiges Beispiel 
aller Staaten vorleuchtet. Auf derartige, nebelhaft zerfließende Angaben, 
wie die jetzt vorliegenden, läßt ein Gesetz für Millionen sich nicht bauen. 
Ein Gesetz darf und soll nicht ein Schlag ins Wasser, ein aufs Gerathe 
wohl versuchtes Unternehmen sein. — Wie wird man künftig urtheilen, 
über den Gang unserer Gesetzgebung, die im Jahre 1869 Dies, fünf 
Jahre darauf das direkte Gegentheil ausspricht, beide Male vielleicht, 
das zweite Mal ganz gewiß -- ohne genügende thatsächliche Erhebungen, 
also auf die Gefahr hin, in 5 Jahren eingestehn zu müssen, daß man 
abermals einen Fehlgriff gethan, daß das Gesetz, wenn man es nicht 
geradezu aufheben will, mindestens -- ebenso wie manche Bestimmungen 
der Allgemeinen Gerichts=Ordnung — durch allmähligen Nichtgebrauch 
in Stillschweigen und Vergessenheit zu begraben, als überflüßig und 
nutzlos dem Veralten Preis zu geben ist. 
Mag ein großer Theil des Arbeiterstandes immerhin nicht den 
Voraussetzungen und Erwartungen entsprochen haben, die man im I. 
1869 von ihm hegte. Mag die Gewerbe-Ordnung allzuviel von 
Rechten, allzuwenig von Pflichten handeln. Die Gesetze sind nicht, 
wie Verträge über Handlungen anzusehen, von welchen Jeder unter der 
bloßen Behauptung, daß der Andere kontraktwidrig gehandelt habe, zu 
rücktreten kann. Im Jahr 1869 hebt ein feierlich verkündetes Bundes 
gesetz, das inzwischen zum Reichs-Gesetze mit kaiserlicher Unterschrift und 
Insiegel geworden ist, die Kontraktsbruchstrafe auf, erklärt den Bruch 
für eine Handlung, durch welche die Arbeiter dem Strafrichter nicht 
mehr verfallen sollen. Dies feierlich verbriefte Recht, diese Magna 
charta, wie sie in einem Gutachten genannt wird, kann nicht zurück 
genommen werden auf die einfache Behauptung hin, daß die Arbeiter 
ihren Pflichten, den in dieser Beziehung auf sie gesetzten Erwartungen 
nicht genügt hätten. Es muß noch ein Weiteres hinzukommen. Dies 
Weitere ist bis jetzt nicht beschafft. Es mag zunächst beigebracht werden. 
Bis dahin — nolumus leges Germaniae mutari. 
Geschrieben im Dezember 1874. 
Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin.
	        
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