Full text: Kowalzig, F.: Ueber Bestrafung des Arbeitsvertragsbruches und über Gewerbegerichte

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auf den Antritt, die Aufhebung oder Fortsetzung des Arbeits= oder Lehr 
verhältnisses, auf die gegenseitigen Leistungen während der Dauer desselben 
oder auf die Ertheilung besonderer, Seitens der Arbeiter verlangter 
Abgangszeugnisse beziehen, so sind dieselben, soweit für diese Ange 
legenheiten besondere Behörden bestehen, bei diesen, also in der preußischen 
Rheinprovinz bei den dortigen Gewerbegerichten, in Alt-Preußen bei 
den hier und dort, aber nur für Streitigkeiten zwischen Fabrikanten 
und Fabrikarbeitern bestehenden Fabrik=Deputationen der ordentlichen 
Gerichte I. Instanz zur Entscheidung zu bringen. Bestehen solche 
Behörden nicht, so entscheiden die Gemeindebehörden, gegen deren Er 
kenntnisse binnen 10 Tagen eine Berufung auf den ordentlichen Rechts 
weg gestattet ist. Auch können durch Ortsstatut d. h. durch eine nach 
Anhörung betheiligter Gewerbetreibender auf Grund eines Gemeinde 
beschlusses getroffene, von der höheren Verwaltungsbehörde genehmigte 
Anordnung — an Stelle der gegenwärtig hierfür bestimmten Behörden 
Schiedsgerichte, mit der Entscheidung betraut werden. Dieselben sind 
unter gleichmäßiger Zuziehung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern 
durch die Gemeindebehörden zu bilden. 
Daß diese Bestimmungen allgemeinen Beifall nicht gefunden, im Gegen 
theil eine von Jahr zu Jahr sich immer mehr ausdehnende leidenschaftliche 
Agitation hervorgerufen haben, ist bekannt. — Dem Drucke dieser Agitation 
hat die Reichs-Regierung nachgegeben und in der I. Session des Reichstages 
1874 einen Entwurf vorgelegt, welcher nach einem seiner Bestandtheile allge 
mein als Kontraktsbruch=Gesetz bezeichnet, zunächst die Wirkung gehabt 
hat, die wunderlichsten Gruppirungen innerhalb der bestehenden Reichs 
tagspartheien zu Tage zu fördern. In jeder Parthei — von den Sozial 
demokraten natürlich abgesehen — fanden sich Vertheidiger und Gegner. 
Zur zweiten Berathung im Plenum ist es bis jetzt nicht gekommen. 
Der Entwurf, der übrigens durch einen besonderen Reichthum that 
sächlichen Materials nicht glänzte, ward einer Kommission überwiesen, 
welche nur den auf die Gewerbegerichte sich beziehenden Theil fertig 
durchberathen und vielfach geändert hat. Vorher aber wie nachher ist 
die ganze Frage in der Presse, in besonderen Schriften, in Vereinen, 
zuletzt im eisenacher Kongresse des Vereines für Sozialpolitik lebhaft 
erörtert worden. Der Letztere hat mit geringfügiger Majorität für 
die Bestrafung des Kontraktsbruches sich ausgesprochen. Im Uebrigen 
schwankt die öffentliche Meinung, so sehr auch durch die vielseitige nahe 
zu erschöpfende Beurtheilung aller interessirenden Punkte, die namentlich
	        
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