Beilagen.
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Jnsuffizienz entsteht, so soll alsdann durch diesen für alle
Gläubiger zufälligen Umstand das ganze Verhältniß der Gläu
biger unter sich verändert werden? Welcher zureichende Grund
ist hierzu zu erfinden? Es läßt sich dagegen nicht anführen,
daß eben dieses Verhältniß bei jedem andern Concurse Statt
finde und auf gleiche Weise die Rechte der Gläubiger bedinge.
Dieser Einwand ist unrichtig. Wenn der Gemeinschuldner
noch lebt und keine Vermögensinsuffizienz vorhanden ist, so
ist jedem Gläubiger unbenommen, jenen rechtlich zu belangen
und durch Execution seine Forderung beitreiben zu lassen.
Thut er dies nicht, so ist es seine Schuld, wenn er seine
Priorität verjähren läßt. Allein wenn ein erbschaftlicher Li
qutdationsprozeß eröffnet ist, so findet keine Execution Statt,
A. G. O. l. 51. §. 61., jener behält seinen Lauf, und wenn
es hiernächst zufällig zum Concurse kommt, so leldet der Gläu
biger, ohne alle Schuld, Schaden. Es ist aber unstreitig eine
der allerersten Anforderungen an die Gesetzgebung, daß das
materielle Recht keines Menschen durch die für nöthig befun
denen Formen gekränkt werde, mithin daß durch den Schutz,
welchen die Gesetze dem Erben vermittelst des erbschaftlichen
Liquidationsprozesses verleihen, das wesentiiche Verhältniß der
Gläubiger zur Erbschaftsmasse in nichts verändert werde.
Wenn sonach das Hofrescript vom 15ten Juni 1789 die
Entscheidung der Gesetzcommission vom 6ten ejusd. aus dem
Grunde bestätiget, weil jeder Concurs ohnehin nur auf An
dringen der Gläubiger eröffnet werden könne, so ist dabei ganz
offenbar nicht daran gedacht, daß die Gläubiger, bevor die
Jnsuffizienz nachgewiesen, nicht den Concurs verlangen, aber
auch eben so wenig während des erbschaftlichen Liquidations
prozesses ihre Forderungen beitreiben können. Ueberhaupt aber
findet dieser Grund jetzt nicht mehr allgemeine Anwendung,
nachdem die A. G. O. dem Richter die Befugniß ertheilt hat,
in einigen Fällen den Concurs ex officio zu eröffnen, und
zwar gerade in den Fällen, wo die Entfernung der Gläubiger
sie am meisten behindert, ihren Rechten zu prospiciren.
Welche Gründe dagegen das Gutachten der Gesetzcommis
sion motivirt haben, ist nicht bekannt geworden. Wahrschein
lich aber ist es, daß, da in der derselben zur Entscheidung
vorgelegten Anfrage, nur von dem Einflusse der extrahirten
Bestimmung auf die hypothecarischen Zinsen die Rede ist
auch nur hierauf Rücksicht genommen worden ist. Denn in
Ansehung deren ist allerdings der wenigste Nachtheil zu besor
gen, da dieselben selbst im Concurse fortlaufen und mithin
immer den Gläubigern der Vorwurf gemacht werden kann,
wenn sie solche später haben aufschwellen lassen und nicht die
Sequestration und gerichtliche Vertheilung extrahirt haben.
Allein nicht zu gedenken, daß nach der Entscheidung der Ge
setzcommission gerade diejenigen begünstiget werden, welche
dem Beneficialerben Nachsicht gegeben haben, daß ferner der
in der A. G. O. 1. 50. §. 502. gemachte Unterschied eine Be=