Full text: Deutsches Privatrecht (3)

§ 206. Bürgschaft. 
773 
Bürge mehr und mehr zugleich zu einem Schuldner21 
Schon 
frühzeitig bei der Verbürgung persönlicher Handlungen, dann aber 
auch bei der Verbürgung von Sach- und Geldschulden leistete der 
Bürge zugleich mit der Haftungsübernahme ein Schuldversprechen 22 
Er versprach dem Gläubiger, dafs er ihm die Leistung des Schuld 
ners oder Ersatz dafür verschaffen werde. Verbürgte er sich als 
„Selbstschuldner“ oder „Selbstzahler“, so kam schon in der Form 
des Gedinges zum Ausdruck, dafs er gleichzeitig Schuldner wurde. 
Doch blieb der primäre Inhalt der Bürgschaft stets Haftung und 
ihr Schuldinhalt von dem der Hauptschuld verschieden. Auch be 
hauptete sich, obschon die alten Formen der Bürgenstellung in 
Verfall gerieten 23, immer das dem Bürgen gegen den Schuldner 
zustehende Rückgriffsrecht 24. 
3. Mit der Rezeption wurde das römische Bürgschafts 
recht in der vereinfachten Gestalt, die es im Corpus juris civilis 
empfangen hat, aufgenommen. Doch gewann nur die römische 
fidejussio, die sich am meisten der deutschen Bürgschaft näherte, 
volles Leben. Die fidejussio war akzessorische, aber solidarische 
Mitübernahme fremder Schuld durch streng verpflichtenden Formal 
vertrag. Im gemeinen Recht wurde sie zum formfreien Schuld 
vertrage. Um so weniger konnte sich neben ihr das römische con 
stitutum debiti alieni, dessen Formfreiheit keine Besonderheit mehr 
bildete, als selbständiges Rechtsinstitut behaupten 25. Das römische 
mandatum qualificatum ging als Kreditauftrag seinen eignen Ent 
wicklungsweg 26. 
Das so in Anlehnung an die fidejussio ausgebildete 
gemeinrechtliche Bürgschaftsrecht stimmte in wesentlichen Punkten 
mit dem spätmittelalterlichen Bürgschaftsrecht überein. Wo es ab 
die Wahl, wen er zuerst ansprechen will, und behalten ihm ausdrücklich das 
Recht vor, wenn ihm einer „enpristet“, sich an den anderen zu halten. 
21 Doch verschwand die blofse Haftungsübernahme keineswegs. Vgl. die 
Unterscheidung in Sachsensp. III 85 § 3—4 u. dazu Schuld u. Haftung S. 105. 
22 Vgl. die Nachweisungen in Schuld u. Haftung S. 105—106, 207. 
23 Überwiegend hielt man freilich an der Form des Treugelübdes fest. 
Aber die Mitwirkung des Schuldners wurde entbehrlich. Und vielfach begegnen 
schon im Mittelalter unförmliche Verbürgungen, im Steiermärk. Ldr. a. 125 
sogar, während sonst wenigstens ausdrückliche Erklärung verlangt wird, eine 
stillschweigende Bürgschaftsübernahme; Schuld und Haftung S. 219—220. 
24 Stobbe, Vertragsr. S. 130 ff.; Buch, Übertragbarkeit der Ford. S. 90 ff. 
26 In der gemeinrechtlichen Literatur herrschte lebhafter Streit darüber 
ob und inwiefern dem constitutum noch eine von der fidejussio verschiedene 
Bedeutung zukomme; vgl. Windscheid § 476 Anm. 7, Dernburg, Pand. II 
§ 77, 1 (verneinend), R.Ger. X Nr. 50 (ebenfalls verneinend). 
26 Vgl. unten zu X.
	        
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