§ 198. Leihe und Darlehen.
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Die neueren Gesetzbücher stellten sich auf den Boden
des gemeinen Rechts*°. Sie konstruierten meist ausdrücklich den
Leihvertrag als Realvertrag und sonderten von ihm den Vertrag
über Hingabe und Hinnahme der Sache als Vorvertrag 11. Auch
an der Unterscheidung von Leihe und Prekarium hielten sie zu
nächst fest 12: erst die neuesten Gesetzbücher haben sie über Bord
geworfen 13. Die sachenrechtliche Kraft der deutschen Leihe stellte
nur das preufsische Landrecht wieder her 14
Das Bürgerliche Gesetzbuch folgt ebenfalls dem gemein
rechtlichen Vorbilde 15. Dafs es den Leihvertrag als Realvertrag
auffasst, geht allerdings nicht aus dem Wortlaut seiner Bestim
mungen, wohl aber aus deren Inhalt hervor 16. Den besonderen
Begriff des Prekarium hat es endgültig fallen lassen 17.
Sachen
10 Preufs. A.L.R. I, 21 § 229 ff.; Code civ. a. 1875 sq.; Öst. Gb. § 871 ff.;
Sächs. Gb. § 1173 ff.; Schweiz. O.R. a. 321 ff. (305 ff.). Vgl. Dernburg, Preuss.
P.R. II § 174 ff. Zachariae-Crome § 371 ff. v. Schey, Die Obligations
verhältnisse des österr. Allgemeinen Privatrechts, Bd. I, Wien 1907, S. 187 ff.
11 So Österr. Gb. § 971; Sächs. Gb. § 1173 mit § 1174. Ebenso setzt die
Fassung des preufs. u. des französ. Gesetzbuches voraus, dass nur der durch
Hingabe der Sache geschlossene Vertrag Leihvertrag ist. Anders das Schweiz.
O.R. a. 321 (305).
12 Preufs. L.R. § 231—232. Österr. Gb. § 974; dazu v. Schey a. a. O.
S. 260 ff. Französ. R. nach Zachariae-Crome § 371 Anm. 4.
13 So das Sächs. u. Schweiz. Gb. — Wie wenig sich das Prekarium als
besondere Vertragsart bei uns eingebürgert hat, zeigt schon der Mangel eines
deutschen Namens. Das Österr. Gb. nennt es „unverbindliches Bittleihen“
14 Dernburg, Preufs. P.R. § 174. Dagegen versagt es dem Prekaristen
Besitz und dingliches Recht und spricht ihm blofse Inhabung zu; § 231. Ebenso
dem Entleiher einer unbeweglichen Sache oder eines Rechts, wenn der Vertrag
nicht schriftlich abgefasst ist; § 233.
15 B.G.B. § 598—606. Vgl. Klein, Die Rechtsformen der Gebrauchsleihe
im deut. B.G.B., Wien 1902. Zabel, Leihvertrag 1910. Schollmeyer S.82 ff.
Cosack § 141. Endemann § 183. Dernburg § 230ff. Landsberg § 143.
Matthiafs § 120. Crome § 246. Enneccerus § 360 ff. Komm. zu § 598 ff.
1e Sie setzen alle die erfolgte Hingabe der Sache voraus. Das pactum
de commodando ist also ein vom Leihvertrag verschiedener Vorvertrag. Vgl.
Endemann a. a. O., Dernburg § 230 II, Crome § 246 I1b, Enneccerus
§360, 2, Planck Vorbem. 1, Staudinger Vorbem. 2, Oertmann Vorbem. 2-3.
Auch Schlofsmann, Jahrb. f. D. XLV 1 ff., 72 ff., nimmt Realvertrag an,
sieht aber im Vorvertrage nur dessen konsensuales Element. Andere dagegen
halten den heutigen Leihvertrag für Konsensualvertrag; so Cosack § 141 III,
Kipp b. Windscheid S. 591, Landsberg § 143, Hellmann, Kr.V.Schr. XLI
222, Stintzing, Vorverpflichtung S. 73; vgl. auch Kohler, Arch. f. b. R.
II 217 ff.
.Entw. I widmete ihm noch seinen § 558.