§ 196. Miete und Pacht.
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Die Partikularrechte verstatteten dem einheimischen
Recht grösseren Einflufs. In Ansehung des schuldrechtlichen Ver
hältnisses schlossen sie sich zwar grundsätzlich dem gemeinen
Recht an, führten indes in vielen Einzelheiten teils allgemein, teils
bei bestimmten Arten von Miets- und Pachtverträgen, wie Woh
nungsmiete, Landgüterpacht und Viehpacht, besondere Regelr
deutscher Herkunft durch 28. In bezug auf die Stellung des Mieters
oder Pächters zur Sache aber folgten sie nur selten völlig dem
gemeinen Recht 29. Zum mindesten schwächten sie meist den Satz
„Kauf bricht Miete“ dadurch ab, dafs sie dem Käufer das Recht
zur Austreibung des Mieters oder Pächters erst nach Ablauf einer
bestimmten Frist oder bei Eintritt eines bestimmten Termins oder
nach gehöriger Kündigung gewährten 3°. Vielfach aber huldigten
sie, auch wenn sie das Miets- und Pachtrecht nur als obligationen
rechtlichen Anspruch anerkannten, gleichwohl dem Satze „Kauf
bricht nicht Miete“ 31. Bei der Grundstücksmiete liefsen manche
Gesetze eine Verdinglichung durch Eintragung zu 32. Das Preufsische
Landrecht stellte sich überhaupt auf den Boden des deutschen
Rechts und liefs aus Miets- und Pachtverträgen ein Recht zur
wurde nur vereinzelt angenommen; so Seuff. VIII Nr. 42. Ziebarth, Die
Realexekution und die Obligation, mit besonderer Rücksicht auf die Miete
1866, wollte dem Käufer nur ein Austreibungsrecht gegen Entschädigung ge
währen, fand aber keine Folge.
28 So zum Teil hinsichtlich der Form des Vertrages, ferner hinsichtlich
der Unterhaltungspflichten und des Inventars, namentlich aber hinsichtlich
der Kündigung und stillschweigenden Erneuerung.
23 Über die Anerkennung von Miets- und Pachtbesitz oder doch vor
Detentionsschutz vgl. oben Bd. II 216 Anm. 26—27.
30 Vgl. die Aufzählung der Partikularrechte, die den Satz „Kauf bricht
Miete“ aussprechen, bei Stobbe-Lehmann § 235 Anm. 18, die von ihnen
dem Mieter gewährten Fristen in Anm. 22—23. Vgl. auch Huber IV 859. Die
neueren Gesetzbücher verlangen Kündigung in der gesetzlichen Frist; Österr.
Gb. § 1120, Sächs. Gb. § 1225, Bayr. Ges. v. 18. Febr. 1871, Schweiz. O.R. § 281,
314, jetzt a. 259, 281. Nach Sächs. und Schweiz. R. gilt der Käufer, wenn er
den ersten Kündigungstermin nicht benutzt, als in den Vertrag eingetreten.
31 So Hamburg. Stadtr. II 9, 13; Geldernsches L.R. IV 4 § 1; Lüneb.
Ref. II, 15; Mainzer L.R. 27, 3; Braunschw. R. b. Steinacker S. 289; schweizer
Rechte b. Blumer II 2 S. 136 ff., Huber IV 859 Anm. 8; Code civ. a. 1743
32 Österr. Gb. § 1095; Sächs. Gb. § 1224; preufsische Gesetze für mehrere
gemeinrechtliche Gebiete b. Stobbe-Lehmann § 235 Anm. 20; Zürch. Gb.
§ 1512, 1523 und andere schweiz. Kantonalrechte, die das O.R. § 2813 u. § 3143
aufrecht hielt, vgl. Huber III 737 ff., IV 860. Jetzt können nach dem neuen
Schweiz. O.R. a. 260 u. 282 und Z.G.B. § 9582-3 Pacht und Miete durch Vor
merkung im Grundbuch dingliche Wirkung erlangen.
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