Full text: Deutsches Privatrecht (3)

§ 196. Miete und Pacht. 
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wie dies seiner Herkunft aus der Zeitleihe entsprach, in einer 
Gewere zur Erscheinung 19. Regelmäfsig empfing es nur durch 
leibliche Gewere seine sachenrechtliche Kraft. Doch begegnet bei 
Grundstücken auch Gewereeinräumung mittels gerichtlicher Fer 
tigung und Eintragung 2°. Darum verlangte hier wie bei anderen 
auf Sachherrschaft abzielenden Verträgen schon der persönliche 
Anspruch auf Erwerb der Gewere die Achtung Dritter 21. Nach 
Erlangung der Gewere aber genofs das Miets- und Pachtrecht den 
gleichen Schutz gegen Jedermann wie andere dingliche Rechte. 
Daraus ergab sich für das liegenschaftsrechtliche Miets- und Pacht 
recht die unbedingte Wirksamkeit gegenüber jedem dritten Er 
werber der Sache. Galt freilich ausnahmsweise der schuldrecht 
liche Satz „Kauf bricht Miete“, so konnte die durch den Verkauf 
dem Vermieter gegenüber hinfällig gewordene Gewere auch dem 
Käufer gegenüber nicht schützen 22. Dagegen bewährte der schuld 
rechtliche Satz „Kauf bricht nicht Miete“ auf Grund der durch 
ihn fortdauernd gerechtfertigten Miets- und Pachtgewere auch 
locationem et conductionem infringere non debebit); Hamburger Glosse zu 
Stadtr. v. 1497 ebenda Nr. c (hur brickt koep); Goslarer Stat. S. 21 Z. 39 ff.; 
Rsb. n. Dist. II, 4 d. 5; Eisenacher Rechtsb, III 31 und Purgoldt II 46 (für das 
Landrecht); Appingdamer Bauerbrief v. 1327 § 4 (v. Richthofen S. 296); Bremer 
Schöffen-Urk. b. Oelrichs S. 155, 156; Brünner Schöffenb. c. 139. 
19 Oben Bd. II 200 Anm. 55. Die dort hinsichtlich der Miete gemachte 
Einschränkung ist zu streichen. Sie wird hinfällig, sobald erkannt wird, dass 
der Satz „Kauf bricht Miete“ die Dinglichkeit nicht ausschliefst. — Die doktri 
nären romanistischen Ausführungen im Brünner Schöffenb. c. 284 u. 340 sind 
für die Auffassung des deutschen Rechts belanglos. 
20 So in Hamburg und anderen deutschen Städten, jedoch nie als aus 
schliefsliches Mittel der Verdinglichung. Als solches findet sie sich zuerst in 
flandrischen Stadtrechten. Vgl. v. Brünneck S. 154 ff. 
21 Oben Bd. II 609 Anm. 2. Der hieraus sich ergebende „Vorzug des 
älteren Vertragsrechtes“ ist aber, wie das ihm entstammende jus ad rem, nur 
dem bösgläubigen Erwerber gegenüber wirksam. Man darf daher nicht auf 
ihn mit v. Brünneck S. 138 ff. den ganzen Satz „Kauf bricht nicht Miete“ 
zurückführen. Die Wirksamkeit dieses Satzes gegenüber jedem Käufer folgt 
erst aus der Mietsgewere. Was v. Brünneck S. 150 ff. hiergegen einwendet, 
ist nicht überzeugend. 
22 Das Vertragsrecht des Mieters erlischt, wie v. Brünneck S. 177 ff. 
zutreffeud darlegt, schon mit dem Abschlußs des Kaufvertrages, nicht erst mit 
dessen Vollzug. Gleichzeitig aber büsst seine Gewere, da sie ja nur mit dem 
Vorbehalte der Rückgewähr in diesem Falle eingeräumt war, ihren Rechts 
boden ein. Darum kann der Käufer sie brechen, sobald ihm die wieder voll 
wirksam gewordene Eigengewere übertragen ist. Vielfach jedoch ist er hierzu 
erst nach Ablauf einer bestimmten Frist (in Emsigo erst nach einem Jahre) 
befugt; v. Brünneck S. 142 ff. 
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Binding, Handbuch. II. 3. III: Gierke, Deutsches Privatrecht. III.
	        
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