§ 196. Miete und Pacht.
509
gerichtet sind. Sie unterscheiden sich dadurch, dafs bei der Miete
pur der Gebrauch, bei der Pacht aufserdem der Fruchtgenufs zu
gewähren ist 2. Vermietet werden können nur körperliche Sachen.
verpachtet werden auch unkörperliche Gegenstände3. Die Unter
scheidung von Miete und Pacht ist deutschrechtlichen Ursprunges.
Dem römischen Recht, das sie dem einheitlichen Begriff der locatio
conductio rei unterstellt, ist sie fremd. Dagegen ist sie in alle
neueren Gesetzbücher übergegangen. Doch bilden Miete und Pacht
Unterarten eines einheitlichen Vertragstypus, für den sich zum
Teil noch der alte deutsche Name „Bestandvertrag“ erhalten hat*
Darum gelten für sie in den Hauptpunkten gemeinsame Rechts
grundsätze. Miete und Pacht sind gegenseitige Verträge mit
doppelter Eigenart. Einmal begründen sie ein auf Dauer, jedoch
nicht auf immerwährende Dauer angelegtes Schuldverhältnis. Darum
erzeugen sie neben einer einmaligen Hingabepflicht des einen und
einer einmaligen Rückgewährpflicht des anderen Teils für den
einen Teil eine kontinuierliche Gewährungspflicht und für den
anderen Teil eine sich in wiederkehrenden Leistungspflichten aus
wirkende Vergütungspflicht. Sodann aber richtet sich dieses
dauernde Schuldverhältnis auf die entgeltliche Verschaffung des
Besitzes und Genusses einer körperlichen oder analog behandelten
unkörperlichen Sache. Darum wird es durch die Sachlichkeit des
§ 369 ff. — Schweizer. R. b. J. Heuberger, Sachmiete nach dem Schweiz.
O.R., 1889; Öser zum neuen O.R. a. 259—304. — Über das Recht des B.G.B.
Komm. zu § 535—597; Schollmeyer S. 57 ff.; Kipp b. Windscheid S. 728 ff.;
Endemann § 167 ff.; Cosacke I § 134 ff., II § 238 ff.; Landsberg § 132 ff.;
Matthiafs § 113 ff.; Dernburg § 215 ff.; Crome § 234 ff.; Enneccerus
§ 349 ff. Dazu zahlreiche Monographien, bes. Mittelstein, Die Mietes
1913; auch Fränkel, Miet- u. Pachtrecht nach dem B.G.B., 1897, Fuld, Das
Mietrecht nach dem B.G.B., 1898, Borcherdt, Das Mietsrecht nach den
B.G.B., 1912, A. Niendorf, Mietrecht1°, 1915, Bruck, Arch. f. b. R. XX 33 ff.
2 Nebenbei gewährter Fruchtgenufs, wie bei Haus- oder Wohnungsmiete
an einem Hausgarten, macht die Miete nicht zur Pacht. Wohl aber Frucht
genuss als Hauptzweck, mag es sich um natürliche oder bürgerliche, Sach
oder Rechtsfrüchte handeln. Vgl. Mittelstein S. 31ff., Oertmann zu
B.G.B. II Tit. III Vorbem. 2, zu § 581 Vorbem. 5. Dazu Preufs. A.L.R. 1, 21
§ 260—261. — Ein Vertrag kann aus Miete u. Pacht gemischt sein; R.Ger.
LX
XI Nr. 7.
3 Vgl. unten § 197 IV.
4 So Österr. Gb. § 1090 ff., Bad. L.R. a. 1708 ff., Schweiz. Ges. b. Huber
IV 858. — Der Code civ. a. 1708 ff. hat den Oberbegriff „louage des choses“
unterscheidet dann aber bail à loyer (Haus- und Fahrnismiete), bail à ferme
(Landgüterpacht) und bail à cheptel (Viehpacht).