§ 188. Verträge auf Leistung an Dritte.
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in der Theorie kam mehr und mehr wieder die grundsätzliche
Anerkennung der Verträge zugunsten Dritter zum Durchbruch 65
wenn auch bisweilen bestimmte Einschränkungen gemacht wurden 66
Ein ungeschlichteter Streit aber entbrannte über die Frage nach
dem Rechtserwerbe des Dritten. Vielfach wurde, wenn auch in
sehr verschiedener Ausgestaltung, die Beitrittstheorie festgehalten6'
Ihre Umbildung zur Aneignungstheorie blieb, da beide Theorien
von Anhängern wie Gegner selten oder nie scharf unterschieden
wurden 68, in verheilsungsvollen Anfängen stecken 69. Demgegen
über wurde von Manchen der unmittelbare Rechtserwerb des Dritten
verfochten, jedoch bald in alter Weise auf ein Stellvertretungs
verhältnis gegründet"°, bald zum Erwerbe eines aus dem allein
primären Gläubigerrecht des Versprechensempfängers abgeleiteten
Anspruches abgeschwächt ?1
Mit allen älteren Theorien endlich
65 Von Germanisten traten dafür Beseler a. a. O., Runde, Z. f. D. R.
VII 18 ff., Pfeiffer, ebd. IX 474 ff., Gareis und Siegel ein; von Romanisten
besonders Bähr, Unger und Regelsberger.
66 So will Windscheid § 316 Anm. 15 ein gemeines Gewohnheitsrecht
nur für die Fälle annehmen, in denen die zugunsten des Dritten versprochene
Leistung die Natur einer Gegenleistung für eine dem Versprechenden vom
Versprechensempfänger gemachte Vermögenszuwendung hat. Stobbe3 § 225
II erkennt Verträge auf Leistung an Dritte grundsätzlich an, dagegen „echte
Verträge zugunsten Dritter“ nur in einzelnen durch Gesetz oder Gewohnheits
recht qualifizierten Fällen.
67 So von Beseler in den Erbverträgen (1837), Wächter II 390, für
die Regelfälle auch Stobbe § 225 II 4, Cosack b. Gerber § 196.
6s In den Darstellungen der Streitfrage bei Buchka, Gareis, Wind
scheid u. A. werden sie durchaus zusammengeworfen. Gareis spricht nur
von „qualifizierter“ und einfacher Beitrittstheorie (z. B. S. 170). Aber auch
Beseler und Busch (vgl. die folgende Anm.) bringen den Gegensatz nicht
zur vollen Klarheit.
5 Blosse „Aneignung“ fordert Beseler, D.P.R. (schon seit der 1. Aufl.).
fügt aber verdunkelnd hinzu, dafs dieselbe sich regelmässig als „Beitritt“ dar
stellen werde. Vgl. ferner Busch a. a. O. S. 45 ff., Platner a. a. O. —
Grunde huldigte auch die gemeinrechtliche Praxis überwiegend der Aneignungs
theorie, da sie einerseits keinen besonderen Antrag an den Dritten forderte,
andererseits in der Erhebung der Klage eine ausreichende Annahmeerklärung
fand; vgl. Siegel S. 152. So auch das Reichsgericht, obschon es von „Bei
tritt“ spricht, Z.S. XXXII Nr. 40 (Seuff. XLIX Nr. 157).
* So noch Bruns in Holtzendorffs Enzykl. (4. Aufl. S. 469).
So unter Zuhilfenahme einer fingierten Zession Strippelmann,
Entsch. des O.A.G. Kassel V (1848) S. 1 ff. (vgl. Gareis S. 94 ff.), Zaun, Arch,
f. pr. R.W. N. F. I (1864) S. 42 ff. Vor allem aber Bähr, nach dessen viel
umstrittener Theorie (vgl. Gareis S. 116 ff.) der Promissar allein Gläubiger
wird, kraft seiner stillschweigenden Zuweisung aber der Dritte zur Geltend
machung der Forderung (mit actio mandata) ermächtigt ist.