390 Zweites Kapitel. Schuldverhältnisse aus Rechtsgeschäften.
bücher auf dem Boden der Aneignungstheorie “1 oder lassen sich
doch in ihrem Sinne verstehen und handhaben 62
Im gemeinen Recht geriet im neunzehnten Jahrhundert
die Lehre von den Verträgen zugunsten Dritter von neuem in leb
hafte Bewegung. Die romanistische Gegenströmung gegen den
usus modernus arbeitete auch hier auf Rückkehr zum reinen
römischen Rechte hin 68. Doch hatte sie in der Praxis nur ver
einzelt Erfolg, während im ganzen das die Verträge zugunsten
Dritter schützende Gewohnheitsrecht unerschüttert blieb 64. Auch
XXVI 9ff., Strieth. Arch. VII 132 ff. Man erleichterte auch die Beitritts
erklärung, ohne sie freilich, wo der Vertrag formbedürftig war, von der Form
zu befreien; Strieth. a. a. O., R.Ger. III Nr. 72. Bei Altenteilsverträgen ließ
man das Erfordernis des Beitritts begünstigter Kinder oder Ehegatten über
haupt fallen, was das O.Trib. nur durch eine Stellvertretungsfiktion zu recht
fertigen wufste, das R.Ger. als gewohnheitsrechtliche Ausnahme aufrecht er
hielt; Pl.Beschl. des O.Trib. XIV 68 ff.; Strieth. X 9, XXIV 339 ff., XXX 150 fl.;
R.Ger. II Nr. 74, XXIX Nr. 44. Bei Versicherungsverträgen folgerte man aus
der Natur des Geschäftes, dafs der Beitritt des begünstigten Dritten nicht
erforderlich sei; O.Trib.Entsch. LI 47; Seuff. XXIII Nr. 221; R.Ger. I Nr. 68.
135, IX Nr. 70. Vgl. Förster-Eccius I § 75, Gareis S. 170 ff., Dernburg,
Preuss. P.R. II § 18.
61 So Code civ. Art. 1121: „Celui qui a fait cette stipulation, ne peut
plus la revôquer, si le tiers a déclaré vouloir en profiter.“ Vgl. R.Ger. X Nr. 80,
XXIX Nr. 79 („formlose Aneignung“ des „unmittelbar aus dem Vertrage“ ent
sprungenen Rechts). Ebenso Schweiz. O.R. Art. 1282 (1123): Der Gläubiger
kann den Schuldner nicht mehr entbinden, „sobald der Dritte dem Letzteren
erklärt hat, von seinem Rechte Gebrauch machen zu wollen“
62 Dies gilt für das Bayr. Landr., das „Ratifikation oder Annahme“ des
Dritten, aber weder eine besondere Öfferte, noch eine ausdrückliche Erklärung
der Annahme fordert; vgl. Gareis S. 150 ff. und über die Fortbildung durch
die Praxis S. 153 ff., dazu Obst. L.G. f. Bayern b. Seuff. XLI Nr. 138. Auch
das sächs. Gb. steht, obwohl es vom Beitritt zum Vertrage spricht, der An
eignungstheorie nahe; denn es läfst unmittelbar aus dem Grundvertrage zu
gleich mit dem Rechte des Promissars ein Recht des Dritten auf Erfüllung
entspringen (§ 853), das nur so lange, bis es durch Beitritt oder Annahme der
Leistung zu einem vom Willen des Promissars unabhängigen selbständigen
Recht geworden ist (§ 854), noch zur Verfügung des Promissars steht (§ 855).
Das österr. Gb. fordert in § 1019 nur Benachrichtigung des Dritten durch einen
der Kontrahenten; die Praxis verlangt meist Annahme, die aber auch in der
Erhebung der Klage gefunden wird; v. Schey S. 633 Anm. 23.
63 So v. Savigny II § 59; Puchta, Pand. § 256, 273b; v. Vangerow
III 295 ff.; Buchka S. 187 ff.; Arndts § 246; Brinz § 584. — Auch Ger
manisten erklärten das römische Recht für geltendes gemeines Recht und
nahmen nur eine Erweiterung der Ausnahmen durch deutsches Gewohnheitsrecht
an; so Eichhorn § 343 IV, Mittermaier II § 272, Gerber § 159 Anm. 3.
64 Vgl. die Zusammenstellung von Entscheidungen bei Gareis S. 184—203,
Beseler § 108 Anm. 9, Windscheid § 316 Anm. 13.