§ 178. Änderung der Schuldverhältnisse.
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III. Verschulden4 Von Rechts wegen treten Änderungen
des Schuldinhaltes durch Verschulden des Schuldners ein.
In allem Leistensollen ist zugleich die Verpflichtung enthalten, bis
zu einer gewissen Grenze Willensfehler zu vermeiden, die den ge
hörigen Erfolg in Frage stellen 5. Innerhalb dieser Grenze „haftet“
der Schuldner für Verschulden, er muss sein Verschulden „ver
treten“, für dasselbe „einstehen“. Insoweit hat er daher die durch
pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen verursachten Nachteile
zu tragen: er mufs dem Gläubiger Schadensersatz leisten und er
leidet unter Umständen eine Rechtseinbufse (z. B. Verwirkung der
Draufgabe, des Rücktrittsrechts, des Anspruchs aus Teilleistungen).
Voraussetzung dafür ist, dafs ihm nach den Regeln über Verant
wortlichkeit der Willensfehler zugerechnet werden kann6.
Was das Mafs des vom Schuldner zu vertretenden Verschuldens
angeht, so liefs das ältere deutsche Recht den Schuldner für jedes
Verschulden haften. Im allgemeinen aber konnte der Schuldner
sich stets durch seinen Unschuldseid von jedem Vorwurfe reinigen
und damit den Beweis erbringen, dafs ein Zufall („Unglück“) vor
liege". Doch wurde vielfach ein objektiver Mafsstab angelegt, in
dem aus der Vergleichung des Verhaltens des Schuldners zu eignen
und fremden Sachen auf Schuld oder Zufall geschlossen wurde:
je nachdem von einem die Sachen des Gläubigers beim Schuldner
schädigenden Ereignis die eignen Sachen des Schuldners trotz
gleicher Gefahr verschont geblieben oder auch eigne Sachen des
4 Über das ältere deutsche Recht vgl. Stobbe, Zur Geschichte des deut
schen Vertragsrechts S. 209 ff., D.P.R.3 III § 230; Hübner, Grundz.2 S. 467 ff.;
v. Schwerin, R.G.2 S. 109.— Über das römische und gemeine Recht Hasse
Die Culpa des röm. R., 2. Aufl. 1838; Ihering, Das Schuldmoment im röm.
Privatrecht, 1867 (Vermischte Schr. S. 155 ff.); Pernice, Labeo II; Wind
scheid § 265; Dernburg, Pand. II § 36 ff. — Über das heutige deut. R. die
Komm. zu B.G.B. § 276 ff.; Cosack § 71; Matthiafs I § 83; Endemann
§ 111ff.; Enneccerus § 196 ff., 266; Dernburg § 63ff.; Crome § 157;
Landsberg § 92 I; Kohler II § 9ff.; Wendt, Arch. f. z. Pr. LXXXVII
422 ff.; Weyl, System der Verschuldensbegriffe im B.G.B., 1905; Brodmann,
Arch, f. z. Pr. IC 327 f.; M. Rümelin, Das Verschulden im Straf- und Zivil
recht, 1909; F. Leonhard, Fahrlässigkeit und Unfähigkeit, in Festg. f. Ennec
cerus
1913.
Vgl. H. Lehmann, Die Unterlassungspflicht S. 10 ff., 166 ff.
6 Die Verantwortlichkeit richtet sich nach gleichen Regeln, wie bei un
erlaubten Handlungen, also heute nach B.G.B. § 827—828. Dagegen ist die
Vorschrift des § 829 über Haftung ohne Verantwortlichkeit auf die Verletzung
einer schuldrechtlichen Verpflichtung nicht anwendbar.
Sachsensp. III 5 § 3. Vgl. Stobbe, Vertragsr. S. 216, 218, 223 ff., 291.