Full text: Deutsches Privatrecht (3)

Erstes Kapitel. Schuldverhältnisse überhaupt. 
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Der Anspruch des Gläubigers geht grundsätzlich auf Ersatz 
des vollen Schadens62. Den Mafsstab bildet das verletzte 
„Interesse“ des Geschädigten; es soll der Nachteil ausgeglichen 
werden, den er infolge des vom Schuldner zu vertretenden Um 
standes erlitten hat63. Darum umfafst der Schadensersatz nicht 
nur den unmittelbar zerstörten oder entzogenen Vermögenswert, 
sondern auch den mittelbar verursachten Vermögensverlust ba 
Darüber hinaus erstreckt er sich auf den entgangenen Gewinn, der 
nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen 
Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vor 
Die 
kehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte 65 
62 Dies war auch nach gemeinem Recht anzunehmen. Ausdrücklich be 
Dagegen 
stimmte es das H.G.B. Art. 283. Ebenso Sächs. Gb. § 124—125. 
stufte das Preufs. A.L.R. I, 2 § 117—118, I 5 § 285—291, I, 6 § 1—15 den Um 
fang des zu leistenden Ersatzes kasuistisch ab. Auch der Code civ. Art. 1150 
und das Österr. Gb. § 1323—1324 machen Unterschiede. Das Schweiz. O.R. Art. 51 
(jetzt 43) kennt überhaupt kein festes Mafs, sondern überläfst die Bestimmung 
der Grösse des Schadensersatzes grundsätzlich dem richterlichen Ermessen. 
63 In den Fällen, in denen jemand einen Ersatzanspruch hat, weil ein 
Geschäft nicht zustande gekommen ist, auf dessen Zustandekommen er ver 
traute und vertrauen durfte, besteht der Schade in dem Nachteil, den er in 
folge seines irrigen Vertrauens erlitten hat, dem sog. „negativen Interesse“. 
Doch kann dieser Schade niemals den Betrag des „positiven Interesses“ über 
steigen, das er, wenn das Geschäft zustande gekommen wäre, an dessen Wirk 
samkeit gehabt hätte. Denn was er nicht gehabt hätte, wenn sein Vertrauen 
nicht getäuscht worden wäre, hat er auch durch die Täuschung seines Ver 
trauens nicht eingebüsst. Vgl. B.G.B. § 122, 179, 307, 309. W. Brock, Das 
negative Vertragsinteresse, Berlin 1902; Kohler I 557, II 134 ff. 
64 Bei Verlust oder Beschädigung einer Sache kommt also nicht bloss, 
wie grundsätzlich nach Preufs. A.L.R. I, 2 § 117 (Abweichungen I, 6 § 82—97), 
ihr „gemeiner“ Wert, sondern ihr Wert für den Beschädigten (der „aufser 
ordentliche Wert") in Betracht. Eine Unterscheidung zwischen „unmittelbarem' 
und „mittelbarem“ Schaden (Preufs. A.L.R. I, 6 § 2—3) und eine Einschränkung 
der Ersatzpflicht auf den unmittelbaren Schaden, wie sie das Preufs. A.L.R. 
a. a. O. § 15 bei geringem Versehen eintreten läfst, findet nicht statt. Auch 
kommt nichts darauf an, ob der Schaden voraussehbar war; grundsätzlich ist 
auch der nicht voraussehbare Schaden, den das Preussische A.L.R. als „zu 
fälligen“ Schaden bezeichnet und nur bei einem Verstofs wider ein Verbots 
gesetz dem Schuldigen zur Last legt (I, 6 § 4 u. 16) und für den auch nach 
Code civ. Art. 1150 nur bei dolus gehaftet wird, zu ersetzen; vgl. jedoch über 
die Modifikation durch § 254 B.G.B. unten Anm. 72. 
65 B.G.B. § 252. Ähnlich zum Teil schon nach älterem deutschen Recht 
(Hammer a. a. O. S. 76 ff.), sowie nach gemeinem Recht, Code civ. Art. 1149, 
H.G.B. Art. 283, Sächs. Gb. § 124—125. Anders das Preufs. A.L.R., das zwar 
ebenfalls zu dem „ganzen Interesse“ oder der „vollen Genugtuung“ auch allen 
entgangenen Gewinn rechnet (I, 5 § 287, I, 6 § 5—7), allein vollen Ersatz nur
	        
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