Full text: Deutsches Privatrecht (3)

§ 211. Begriff und Umfang. 
881 
der Ausbreitung des Systems der öffentlichen Strafen mehr und 
mehr eine privatrechtliche Ausgestaltung der Ansprüche des Ver 
letzten, wie dies namentlich in der ungleichen Behandlung der ab 
sichtlichen und der absichtslosen Missetat zum Ausdruck kam. 
Die Rezeption beförderte die fortschreitende Sonderung des Privat 
rechts vom Strafrecht. Das römische Recht hatte die Kategorie 
der delicta privata ausgebildet und den aus ihm entspringenden 
obligationes ex delicto, obschon sie von Hause aus poenal waren 
und stets, weil sie zum Teil die Funktionen des mangelhaften 
öffentlichen Strafrechts erfüllen mussten, einen stark poenalen 
Beigeschmack behielten, ihre Stelle im Privatrecht angewiesen. 
Der Begriff der Deliktsobligation ging ins gemeine Recht über 
und streifte gegenüber dem fortgebildeten öffentlichen Strafrecht 
mehr und mehr den strafrechtlichen Zusatz ab. Die neueren Ge 
setzbücher stellen den allgemeinen Begriff der „unerlaubten Hand 
lung“ auf und behandeln sie durchweg als Entstehungsgrund rein 
privatrechtlicher Schuldverhältnisse 2 
2. Den Inhalt des Schuldverhältnisses aus unerlaubter Hand 
lung bildet stets eine Ersatzleistung an den Verletzten. Die 
Ersatzleistung kann auf Genugtuung oder auf Wiederherstellung 
abzielen und demgemäfs als Privatstrafe oder als Schadensersatz 
ausgestaltet sein. Während sowohl im älteren deutschen wie im 
römischen Recht die Privatstrafe eine grofse Rolle spielte, ist im 
modernen Recht mehr und mehr die grundsätzliche Beschränkung 
der Forderung auf Schadensersatz durchdrungen, ohne dafs damit 
das Moment der Genugtuung völlig ausgeschaltet wäre 
3. Die unerlaubte Handlung kann nicht nur in positivem Tun. 
sondern auch in pflichtwidrigem Unterlassen bestehen. Dies 
war im älteren deutschen Recht stets anerkannt* und wurde gegen 
2 Preufs. A.L.R. I, 6: „Von den Pflichten und Rechten, die aus uner 
laubten Handlungen entstehen.“ Code civ. III, 4 ch. 2: „Des Délits et des 
Quasi-Délits.“ Sächs. G.B. T. III Abt. I Abschn. III zu I, 2: „Unerlaubte 
Handlungen“, Abt. II Abschn. II: „Forderungen aus unerlaubten Handlungen“ 
Schweiz. O.R. I, 2: „Die Entstehung durch unerlaubte Handlungen“. B.G.B. 
II, 7 Tit. 25: „Unerlaubte Handlungen“. — Das Oest.Gb. handelt II, 30 all 
gemein: „Von dem Rechte des Schadensersatzes und der Genugtuung“. 
3 Hiervon unten § 215. 
4 Sachsensp. II a. 38; Grimm, W. I 340. Stobbe-Lehmann § 259, 2. 
Hübner § 89 I, 1. 
56 
Binding, Handbuch. II. 3. III Gierke, Deutsches Privatrecht. III.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer