Full text: Fuchs, Wilhelm: ¬Die Rechtsvermuthung der ehelichen Vaterschaft nach römischem und neuerem Rechte

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Meiner Ansicht nach ist die Frage, aus welcher von den 
zwei Ehen ein Kind stamme, dessen mögliche Erzeugungszeit 
in beide fällt, vom Richter auf Grund des Gutachtens von Sach 
verständigen je nach der Reife des Kindes, eventuell auch 
mit Berücksichtigung des Gesundheitszustandes des ersten 
Gatten, zu entscheiden. 164) Ein reifes Kind wird eher in die 
erste, ein unreifes eher in die zweite Ehe zu verweisen sein. 
Das Pr. L. R. II, 2, 1. §§. 22, 23 bestimmt, dass in 
einem solchen Falle auf den gewöhnlichen Zeitpunkt der 
Empfängniss, nämlich den 270. Tag vor der Geburt des Kindes 
zu sehen sei. Falle dieser noch in die erste Ehe, so sei das 
Kind als in derselben erzeugt anzusehen. Dieselbe Bestimmung 
trifft §. 1779 des sächsischen Gesetzbuches. 
Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass eine 
solche zwar in der Natur der Sache begründete, aber unela 
stische Norm in vielen Fällen kein befriedigendes Resultat 
geben wird. 
Zeit: „Ali ei marito partum adjudicant, cui similior est; alii priori, quia prior 
est tempore, alii posteriori, quiu et diutius cohabitavit et stante eius matrimonio 
natus est; alii ad utrumque (!) pertinere aiunt, alii neutrius (1) esse. Cocceji 
selbst erklärt, womit er ja in der Regel das Richtige treffen wird, ein früher 
geborenes Kind für ein Kind der ersten, ein später geborenes für ein Kind 
der zweiten Ehe. 
164) Diese Ansicht ist auch die der meisten französischen Juristen, vgl. 
Laurent S.480. Aubry-Rau S. 51 meint, dass in einem solchen Falle das 
Gericht je nach den Umständen entscheiden solle, und dass im Zweifel die Rück 
sicht auf den Vortheil des Kindes den Ausschlag gebe. Der Curiosität halber sei 
noch die Bestimmung des englischen Rechtes (s. bei Stephen S. 303) citirt: 
„But if a man dies and his widou soon after marries again, and a child is 
torn within such a time as that by the course of nature it might have been the 
child of either husband, in this case he is said to be more than ordinarily legiti 
mate aud it is laid doun, that he may ichen he arrives to years of discretion 
choose wlich of the fathers he pleases.“ Die Regel des englischen Rechtes 
wird von Laurent S. 480, 481 auch für das französische Recht aufgestellt. 
Es wäre interessant zu wissen, ob und wie diese Regel in der Prazis durch 
geführt wird, namentlich ob der Nachlass des ersten Vaters so lange auf 
bewahrt wird, bis das Kind die Wahl zwischen den beiden Vätern treffen kann.
	        
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