Wesen der Dinglichkeit.
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eine Inhabungsmöglichkeit, eine erkennbare Ausübung der unmittel
baren Herrschaft vor. Wie aber soll man sich die servitus non
faciendi als Herrschaftsverhältniß über die Sache, als dingliches
Recht denken?"
So unzutreffend die Ausführungen Stinzings er
schienen (vergl. umstehende Note 3), der den Begriff der Dinglichkeit als
gegebene Größe voraussetzt und aus der Dinglichkeit den Besitz zu
konstruiren versucht —
als ob man das Thatsächliche aus dem
Rechtlichen konstruiren könnte und nicht umgekehrt, — darin ist ihm
beizutreten, daß die servitus non faciendi nicht mehr reale Herrschaft,
sondern „nur geistige Bannung, nur eine Fesselung des Willens
vermögens" des Eigenthümers der belasteten Sache ist. Facere und
non facere sind Funktionen des Willens. Bei der servitus non faciendi
wird nicht mehr die Sache erfaßt, so wenig wie bei der Obligation
des Nachbars, auf seinem Klavier nicht zu spielen, das Klavier, bei
dem pactum de non cedendo die Forderung erfaßt wird. (S. 39).
Erfaßt und gebunden wird lediglich der Wille des (Sach=) Eigen
thümers. Inhalt des Rechts ist lediglich eine Obligation des
Grundstückseigenthümers. Damit ist aber der herrschende Dinglich
keitsbegriff nicht mehr vereinbar. Denn bei der Dinglichkeit
soll sich die Herrschaft bethätigen ohne den Willen eines Anderen,
ohne das Vorhandensein eines Verpflichteten. Wird bei der ser
vitus non faciendi, wo nur eine Fesselung des Willens des Eigen
thümers vorliegt, noch von einem Erfassen der Sache, von einer
Herrschaft über die Sache gesprochen, und ist nicht die absolute Ver
pflichtung des Grundstückseigenthümers allein das Kriterium der
Dinglichkeit, dann ist es unerfindlich, warum nicht auch die obli
gatio ad restituendum, ad exhibendum, dandum, praestandum,
kurzum das ganze preußische Recht zur Sache ein dingliches Recht
ist; denn in einer ihrer Beziehungen wird auch hier die Sache er
faßt. Haben nun aber die Romanisten keines dieser Rechte, wohl aber
die servitutes non faciendi, also Beschränkungen der Handlungs
freiheit aller Sacheigenthümer als dingliche Rechte charakterisirt, so
bleibt nichts übrig als das Dogma von der Dinglichkeit als reale
oder unmittelbare Herrschaft über die Sache zu verlassen, und in
1) Dernburg, Pandekten I. §. 262 Note 2 sagt selbst: die Aussichtsgerechtigkeit
giebt ein Verbietungsrecht, aber „nicht die Befugniß, selbsthandelnd auf die
dienende Sache einzuwirken". „Unmittelbare Herrschaft" und „Befugniß selbst
handelnd einzuwirken" ist aber identisch.