Full text: Zeitschrift für Rechtsgeschichte (Bd. 1 (1862))

376

Bsenbrüggen,

richtsdiener einem Manne, den sie um ehrlicher That sahen, inner-
halb der Herberge seinen Harnasch nicht nehmen sollen und wenn
der Gefangene ledig werde und dem Richter seinen verschuldeten
Wandel gegeben habe, solle man ihm sein Schwert, sein Messer
oder was man ihm genommen habe, wiedergeben ohne alle
Pfenninge.
In keinem Lehr- und Handbuche des deutschen Strafrechts
ist von dieser auf sittlicher Grundlage ruhenden Unterscheidung die
Rede, und kein neues deutsches Strafgesetzbuch hat darauf ein ent-
scheidendes Gewicht gelegt; wer aber eine Reihe von deutschen
Schwurgerichtsverhandlungen mit Aufmerksamkeit verfolgt, dem kann
es nicht entgehen, daß die Geschwornen davon nicht abftrahiren
wollen, sondern an einer Anschauung festhalten, die seit Jahrhun-
derten im deutschen Leben kräftig war, und daß sie selbst lieber ein
Nichtschuldig auf ihr Gewißen nehmen, wo das Schuldig den Tod-
schläger ins Zuchthaus zu den Mördern, Dieben und Betrügern
bringen und durch die Strafe unehrlich machen würde. Daß ich
mich nicht täusche, wenn ich dieser Unterscheidung Lebenskraft zu-
schreibe, dafür bürgt mir die Zustimmung Siegel's der dazu
bemerkt (Allgem. österr. Gerichtszeitung 1861 no. 62): „Einen
besondern Reiz bietet die Scheidung der Verbrechen in ehrliche und
unehrliche. — Seitdem das Criminalrecht ausschließlich zum Ju-
ristenrecht geworden, ist diese mit dem innersten sittlichen Gefühle
des Volkes zusammenhängende Scheidung und ihre Wirkung ver-
schwunden. Wenn nicht alle Anzeigen trügen, so wird aber durch
das Mittel des Geschwornengerichts gerade in dieser Beziehung
dem Criminalrechte eine Umgestaltung zu Theil werden, es wird
jene Unterscheidung wieder zu Ehren gebracht und insoweit das
Juristenrecht durch Volksrecht ersetzt werden. Um diesen Prozeß
leiten und mit Sicherheit durchführen zu können, ist es nöthig nach-
zuspüren, welche verbrecherische Handlungen das Volk immer noch
als ehrliche Sachen betrachtet, welche als unehrliche verabscheut
werden".
Ich will dieses schon anderswo von mir besprochene Thema
hier nicht weiter verfolgen, hielt es aber nicht für unpassend, dar-
auf von Neuem aufmerksam zu machen. Es laßen sich noch manche
Themata des altdeutschen Strafrechts für meine Beweisfrage be-
nutzen und diese Zeitschrift eignet sich Wohl dazu, eine kleine Reihe
derartiger Untersuchungen als Probestücke aufzunehmen.

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer