Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 19 (1901))

Eheliche Nutznießung im B.G.B.

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Geschäftsfähigkeit der Frau. Der Begriff der familienrechtlichen Gewalt
enthält zugleich das Moment der Pflicht, ja die Pflicht ist nach Wind-
fcheid sogar das xrius, hinter dem die Gewalt zurücktritt; wie sollen
wir uns nun eine Pflicht vorstellen, die Früchte des Frauenguts zu
Eigenthum zu erwerben, eine Pflicht, die sich überdies ohne Zuthun
des Mannes, ja selbst wider seinen Willen von selbst realisirt! Man
braucht sich nur einen solchen Gedanken auszumalen, um die Unmöglich-
keit einer solchen Auffassung zu begreifen. Wir können uns wohl eine
familienrechtliche Pflicht des Mannes denken, das Vermögen der Frau zu
verwalten und die Früchte des Frauenguts zu ziehen, sie für die Zwecke
der Ehe zu verwenden, aber eine Pflicht, sie zu Eigenthum zu erwerben,
die sich obendrein von selbst in die That mnsetzt, ist etwas Undenkbares.
So bleibt nur die Möglichkeit, die eheliche Nutznießung als ein
dingliches Recht zu betrachten. Freilich soll damit das Moment der
familienrechtlichen Gewalt für das Recht des Mannes am Frauengut
nicht bestritten werden, es soll nur bestritten werden, daß es ausschließ-
lich unter den Gesichtspunkt der familienrechtlichen Gewalt gebracht
werden könne. Der Mann hat kraft familienrechtlicher Gewalt das
Vermögen der Frau innerhalb der Schranken seines Rechts für die
Zwecke der Ehe zu verwerthen, gleichzeitig aber enthält sein Recht
ein dingliches Element, nämlich das dingliche Recht der Nutznießung.
Damit ist das Bürgerliche Gesetzbuch zur Grundlage des ehelichen Güter-
rechts des Sachsenspiegels zurückgekehrt: das Recht des Mannes am
Frauengut ist nicht bloß als familienrechtliche Gewalt, sondern zugleich,
speziell in der Nutznießung als dingliches Recht gestaltet.
Zu diesem Resultat gelangen wir nicht bloß aus allgemeinen Er-
wägungen, sondern auch aus anderen Gründen, insbesondere der Regelung
des ehelichen Güterrechts im Einzelnen.
Erst in diesem Zusammenhang mit § l 383 empfängt das in § 1363
ausgesprochene allgemeine Prinzip der Gütereinheit feine volle Be-
deutung: Das Vermögen der Frau wird durch die Eheschließung der
Verwaltung und Nutznießung des Mannes unterworfen. Durch diese
Ausdrucksweise ist jetzt nicht etwa bloß die absolute Natur der ehe-
lichen, der Gütereinheit entsprechenden Familiengewalt des Mannes,
sondern zugleich der dingliche Charakter der Nutznießung festgestellt.
Ginge ferner das Gesetzbuch nicht von der dinglichen Gestaltung
der Nutznießung aus, so wäre nicht einzusehen, warum in § 1383 für
Archiv für bürgerliches Recht. XIX. Band. 21

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