Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 19 (1901))

Rechtsunterricht.

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Dazu kommt noch als fernerer pädagogischer Mangel die mangel-
hafte logische Entwickelung einzelner Rechtsbegriffe, ihre mangelhafte
Differenzirung, die die logische Erfassung und Zersetzung des betreffenden
Rechtsgebildes außerordentlich erschwert. Je einfacher äußerlich ein
Vorgang erscheint, desto schwerer ist er dann zu analysiren, wenn sich
in ihm mehrere noch ungeschiedene Rechtsgedanken bergen. Je entwickelter
ein Rechtssystem ist, je mehr die einzelnen Rechtsgedanken begrifflich
von einander gesondert sind, desto leichter ist es zu verstehen und daraus
ergiebt sich die große pädagogische Ueberlegenheit des B.G.B. über das
römische Recht, soweit der Anfängerunterricht in Frage kommt.
Als undifferenzirte Gebilde sind zu nennen actio (heute Klage,
Klagerecht, Anspruch), boni mores (Sitte und Sittlichkeit), emtio ad
gustum (Mängelhaftung und Gefahrtragung noch nicht geschieden), actio
adjecticiae qualitatis (gewillkürte Stellvertretung noch nicht losgelöst
von der persönlichen Haftung des Vertreters), novatio. Ferner sei
auf die großartige Differenzirung alter entgeltlichen Arbeitsverträge im
B.G.B., auf die Loslösung des Fundrechts aus der Unbeauftragten
Geschäftsführung, auf die Differenzirung des Verwahrungsvertrags
u. s. w. hingewiesen. '
Wie unendlich viel reicher, klarer, durchdachter, im logischen
Sinne einfacher sind doch die Rechtsgebilde des B.G.B. als die
des römischen Rechtes.
Je reiner und differenzirter ein Gebilde ist, desto einfacher im
logischen Sinne ist es auch und desto leichter ist es zu verstehen, desto
mehr eignet es sich zur Schulung der Logik. Man halte nicht entgegen,
je weiter die Abstraktion getrieben sei, desto schwieriger seien die
einzelnen Begriffe. Dies ist für unsere Frage nur insoweit richtig,
als die Abstraktion sich in der Richtung auf die Aufstellung möglichst
abstrakter Oberbegriffe bewegen würde. Wir haben hier jedoch den
umgekehrten Werdeprozeß vor uns, sozusagen die Konkretisirung der
Begriffe.
Da die mangelhafte Differenzirung der Begriffe sich auch
sprachlich 13) ausdrückt, insofern ein und dasselbe Wort ungeschieden
mehrere Begriffe bezeichnet, so ergiebt sich hieraus eine fernere päda-
") Vergl. hierzu die Untersuchungen von Jakoby, Jahrb. für Dogmatik
Bd. 41 S. 68 ff., auch ebenda Bd. 35 S. I ff. und den Bd. 41 S. 69 a. a. O.
zitirten Jhering.

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