Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 19 (1901))

Handelsgesellschafts- und bürgerliches Recht.

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Niemals jedoch darf außer Acht gelassen werden, daß das Sonder-
recht dem gemeinen Rechte vorgeht, mithin die Anwendung der Vor-
schriften des B.G.B. über Vereine nur zur Ergänzung, nicht zur Durch-
brechung des Sonderrechts führen darf. Es scheint mir, als wenn
Jimon und mit ihm Ring in einem wichtigen Punkte diese Grenz-
linie überschreiten. Sie behaupten, daß fortan eine Aktiengesellschaft
für einen anderen Zweck als den eines wirthschastlichen Geschäfts-
betriebs nicht mehr errichtet werden könne. Denn nur für Vereine
mit einem derartigen wirthschastlichen Zwecke lasse das B.G.B. § 22
die Erlangung der Rechtsfähigkeit auf Grund besonderer reichsgesetzlicher
Vorschriften zu, während für Vereine mit anderem Zweck in § 21
lediglich die Eintragung in das Vereinsregister als Mittel für Erlangung
der Rechtsfähigkeit anerkannt sei. Wäre dies richtig, so müßte es auch
für Gesellschaften mit beschränkter Haftung gelten. Denn es macht keinen
Unterschied, daß die Möglichkeit der Errichtung „für jeden zulässigen
Zweck" hier durch ausdrückliche sonderrechtliche Bestimmung gewähr-
leistet, bei der Aktiengesellschaft dagegen nur durch Streichung der
ehemaligen Einschränkung eingeführt und stillschweigend festgehalten und
(z. B. in H.G.B. § 6) vorausgesetzt ist. Sonach könnte eine Aktien-
gesellschaft oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht mehr
für einen rein gemeinnützigen Zweck, wie z. B. den Bau von Arbeiter-
lvohnungen, oder für einen geselligen Zweck, z. B. ein Kasino oder
Studentenheim, oder für Bildungszwecke, z. B. eine Lesehalle oder
Musikaufführungen, errichtet werden. Was mein Kollege Kahl in
in seinem Vortrag in unserer letzten Sitzung über die Errichtung von
Handelsgesellschaften durch Religiöse bemerkt und ausführlicher in seiner
Abhandlung über dieses Thema dargelegt hat, wäre überflüssige Mühe
gewesen. Die besondere Form der Aktiengesellschaft mit vinkulirten
Kleinaktien, die vorzugsweise nicht wirthschastlichen Zwecken dient, ver-
löre jede Daseinsberechtigung. Vor jeder Eintragung wäre die schwierige
und bestrittene Frage zu lösen, worin dann das Merkmal des wirth-
schaitlichen Vereins zu finden ist. Genügt, wie Planck meint,
jeder geschäftsmäßige Betrieb wirthschaftlicher Art? Oder muß, wie
ich mit Enneccerus und Hölder meine, der wirthschastliche Erfolg
eigentlicher Vereinszweck und nicht bloß Mittel zur Erreichung des in
Wahrheit idealen Vereinszwecks sein? Die Fälle, in denen trotz der
Eintragung ins Handelsregister eine Aktiengesellschaft oder Gesellschaft

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