Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 19 (1901))

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Otto Gierke.

mit den Persönlich haftenden Gesellschaftern in einer Gemeinschaft zur
gesammten Hand stehe, ist verkünstelt und unhaltbar. Die Kommanditisten-
gesammtheit für sich ist lebensunfähig, sie gliche einem Menschen ohne Kopf.
Ganz dasselbe, wie für die Aktiengesellschaft, gilt für die Gesell-
schaft mit beschränkter Haftung, die ja eine Handelsgesellschaft mit
eigener Persönlichkeit und nur zufällig uicht im H.G.B. selbst geregelt
ist. Es gilt auch für die eingetragene Genossenschaft, die aber, weil
sie keine Handelsgesellschaft ist, hier außer Acht gelassen werden kann.
Die Anwendung der Vorschriften des B.G.B. über Vereine auf
die Handelsgesellschaften mit eigener Persönlichkeit hat, so sehr sie
durch deren umfassendes Sonderrecht zurückgedrängt wird, erhebliche
praktische Bedeutung. Dies hat Simon (Zeitschr. f. H.R. Bd. 49
S. 1 ff.) überzeugend dargethan. So greifen die Vorschriften über
Beschlußfassung des Vorstands (B.G.B. § 28) und über die vorläufige
Ersetzung fehlender Vorstandsmitglieder durch amtsgerichtliche Bestellung
(§ 29) auch hier Platz. Von besonderer Wichtigkeit ist es ferner, daß sich
die Haftung der handelsrechtlichen juristischen Personen aus unerlaubten
und sonstigen zum Schadenersatz verpflichtenden Handlungen ihrer Organe
nach 31 des B.G.B. richtet. Die Vorschrift des § 35, daß Sonder-
rechte eines Mitglieds nicht ohne dessen Zustimmung durch Beschluß
der Mitgliederversanwtlung beeinträchtigt werden können, gilt als leitender
Grundsatz auch für die Aktiengesellschaft und hat gegenüber dem zum
Theile bedenklichen Radikalismus, mit dem sich das neue Aktienrecht in
Einzelfragen über Sonderrechte hinwegsetzt, große allgemeine Bedeutung.
Endlich ist m. E. nicht wohl zu bestreiten, daß die Bestimmungen über
Entziehung der Rechtsfähigkeit im Verwaltungsweg (§ 43) auch auf
Aktiengesellschaften anwendbar sind. Danach ist allerdings der viel-
umstrittene Art. 4 des Preuß. A.G. zum H.G.B. ziemlich überflüssig.
Denn daß er bei Gefährdung des Gemeinwohls durch rechtswidrige
Handlungen oder Unterlassungen einer Aktiengesellschaft oder Aktien-
kommanditgesellschaft nicht bloß die Entziehung der Rechtsfähigkeit,
sondern die Auflösung zuläßt, macht kaum einen Unterschied. Allein
die subsidiäre Anwendbarkeit des 8 43 des B.G.B. kann nicht nur in
anderen deutschen Staaten wichtig werden, sondern auch in Preußen in
Frage kommen, wenn eine Aktiengesellschaft satzungswidrig einen
politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt. Warum
dies Simon für unmöglich hält, ist mir nicht klar geworden.

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