Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 34 (1910))

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I. Binder.

eine Rechtslage, ein „objektives Rechtsverhältnis"99), d. h. eine
an einen bestimmten Tatbestand geknüpfte Eigenschaft einer
Person von verschiedenem Inhalte, je nachdem sie sich vor oder
nach dem Erwerbe der Erbschaft befindet. Im Stadium der
Delation — ich denke hier an das römische Erbrecht — ist es die
an den Berufungstatbestand geknüpfte Möglichkeit, in die ver-
mögensrechtliche Persönlichkeit des Erblassers einzutreten67), im
Stadium des definitiven Erbeseins ist es die Rechtsstellung, die
die Konsequenz dieses Eintritts bildet und die ein Kollektivbegriff
mit sehr verschiedenartigen Elementen ist, ein Begriff, der irr
keiner einzigen Beziehung Verwandtschaft mit einem (einheitlichen)
subjektiven Rechte hat99). Daher ist Wohl eine Erbrechts-
seststellungsklage möglich — da das heredem esse ein Rechts-
verhältnis, wenn auch kein Recht im subjektiven Sinne ist69), aber
kein einheitlicher Erbenanspruch oder wenn man will, Erbschafts-
anspruch, und daß dies dem Bürgerlichen Gesetzbuch entspricht,
glaube ich früher bewiesen zu haben70). Dieser angebliche
Erbschaftsanspruch des Bürgerlichen Gesetzbuchs, den man richtiger
einen erbrechtlich modifizierten Singularanspruch nennen sollte^),
86) Vgl. hierher A f folter, Das römische Jnstitutionensystem I
S. 468, 497ff.; derselbe, Rheinische Zeitschrift I S. 476ff>; derselbe, Grünhuts
Zeitschrift 1909 S. 645ff.; Köhler, Lehrbuch des bürgerl. Rechts I S. 152ff.
67) Daß die Delation kein Vermögensrecht ist, hat schon K ö p p e n,
Lehrbuch S. 29 zu R. 3 erkannt; vgl. meine Rechtsstellung I 71 R. 50.
Daß dies nicht mit der hier zutage tretenden Klarheit erkannt und
gesagt ist, bildet einen Mangel der in meiner „Rechtsstellung" vertretenen
Erbrechtstheorie, für den indessen der Zustand der gemeinrechtlichen Erbrechts--
lehre, die wenig oder nichts von der Unterscheidung zwischen Erbenstellung und
Erbschaft wußte, mit verantwortlich zu machen ist.
69) Vgl. meine Rechtsstellung III S. 366f., 402, 404f.; Hellwig,
Lehrbuch I S. 212.
70) Rechtsstellung III S. 356 ff.
71) Über die Argumente, die ich einst gegen den Universalanspruch vor-
gebracht habe, denke ich heute noch ebenso wie damals. Ja, die Universalklage
muß mir nunmehr um so bedenklicher erscheinen, als ich überhaupt ein subjektives
Erbrecht nicht mehr annehmen kann (s. oben Nr. 64). Was dagegen Strohal,
vor allem II S. 376 N. 7 vorbringt, scheint mir nicht geeignet, meine
Argumentation zu erschüttern. Allerdings ist der Erbschaftsanspruch nicht
die „Summe der Einzelansprüche" (Hellwig, Anspruch und Klagerecht
S. 46, Lehrbuch des Zivilprozesses I S. 213, 269), aber auch nicht ein

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