Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 30 (1907))

Jnhaberschuldverschreibungen und Kreationstheorie. 29
kann daher trotz Feststellung der Genehmigung schuldlos ein nicht
konstatiertes, also nichtiges Papier erwerben und stände dann im
Falle der Nichtbegebung dem Aussteller gegenüber völlig schutzlos
da. Nach der anderen Theorie wird ihm wenigstens der Schaden
ersetzt, welcher infolge des Erwerbes entsteht; den Erfüllungsanspruch
durfte das Gesetz ihm nicht gewähren, da sonst sein Verbot praktisch
bedeutungslos geworden wäre. Der Schadensersatzanspruch findet
übrigens nicht notwendig im Nominalbeträge des Papiers seine
Schranke: wenn z. B. die Ausgabe über pari erfolgt, so besteht der
Anspruch nicht in dem Nennbeträge, sondern dem höheren Ausgabe-
betrage, welchen der Erwerber aufgewendet tjot.60)
VIII. Einen wesentlichen Vorzug seiner Rechtsscheinstheorie erblickt
Jacobi darin, daß sie die §§ 935, 794 und 796 auf ein einheitliches
Prinzip zurückführe, während nach der Kreationstheorie die Regeln aus
diesen drei Paragraphen je einer besonderen Begründung bedürften,
da sie selbst nur den § 794 zu erklären vermöge.
In beiden Beziehungen bin ich anderer Ansicht. Ist die Aus-
stellung der Jnhaberschuldverschreibung ein vollendetes Rechtsgeschäft,
so versteht es sich von selbst, daß es auf eine Begebung weiter nicht
ankommt (§ 794) und dem Inhaber gegenüber nur die im §796
vorgesehenen Einwendungen Platz greifen können; dann ist auch mit
der Ausstellung ein Wertobjekt geschaffen, welches wie eine bewegliche
Sache im Verkehr kursieren kann, den Grundsätzen über Eigentums-
erwerb an diesen unterliegen muß und gleich dem Gelde eine besondere
Begünstigung verdient (§ 935 Abs. 2). Man sieht, an „Einheitlichkeit

Genehmigung auf eine geringere Summe erteilt und die eines Jndividualisierungs-
merkmals noch entbehrenden Jnhaberschuldverschreibungen werden gestohlen,
ehe der Aussteller die zuviel angefertigten Exemplare vernichten konnte.
*°) Anders Jacobi, Legitimationsmittel S. 31 bei no 5; s. indessen
schon Prot. S. 2692 (Mugdan Bd. 2 S. 1067).
61) Legitimationsmittel S. 47—48. Über die Brauchbarkeit der Kreations-
theorie für den Verkehr habe ich mich im Kap. IV meiner uo 1 zitierten
Monographie ausgesprochen. Nach den dortigen Ausführungen sind mehrere
Vorwürfe Jacobis in dieser Richtung unbegründet. Daß die Kreationstheorie
nicht zu den von Jacobi gebilligten wechselrechtlichen Entscheidungen des
Reichsgerichts führt, die Legitimationsmittel S. 49 bei uo 2 und Wertpapiere
S. 183 uo 1 erwähnt werden, ist für mich eines ihrer erfreulichsten Ergebnisse.

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