Warrantrecht und Landwirtschaft in Frankreich.
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Im übrigen ist die Aufgabe der wirtschaftlichen Begriffsbestimmung
in der Wissenschaft und ihre Wirkung auf die Praxis, von Aufgabe
und Wirkung der rechtlichen, völlig verschieden.
Die Außerachtlassung der trennenden Momente, welche, trotz des
Neben- und Jneinanderlaufens der Voraussetzungen und Ziele wirt-
schaftlicher und rechtlicher Begriffsbestimmungen, stets erkennbar sind,
hat namentlich auf den Grenzgebieten von Volkswirtschaftslehre und
Rechtswissenschaft häufig Verwirrung gestiftet?)
i) So namentlich in der Lehre vom Kredit. Bis in die neueste Zeit
nimmt in der deutschen wie französischen volkswirtschaftlichen Literatur über
Kreditwesen, seit Knies und Roscher, die Gegenüberstellung von Personal-
und Realkredit einen breiten Spielraum ein. Dieser Gegenüberstellung wird
regelmäßig entscheidende Bedeutung für die Einteilung der Kreditgeschäfte bei-
gemessen. Besonders die genossenschaftliche Literatur ist bis in die jüngste Zeit
dieser Einteilung, als leitendem Gesichtspunkt, treu geblieben.
Und doch ist sie nur juristisch, wie sie denn auch aus der Rechtswissenschaft,
die älter ist als die Volkswirtschaftslehre, lediglich übernommen ist in einem
Wirtschaftsstadium, in welches die Anfänge des heutigen mächtigen Kreditwesens
zurückreichen.
Juristisch bedeutet die Unterscheidung, daß für den gewährten Kredit im
einen Fall besondere Vermögenswerte als Sicherheit haften (Realkredit), während
im anderen Falle spezielle Sicherstellung von Vermögenswerten nicht erfolgt
(Personalkredit). Der Gesichtspunkt des Vorhandenseins oder Fehlens einer for-
mellen Spezialsicherstellung ist für die juristische Begriffsbestimmung maßgebend.
Ausgehend von der Erkenntnis, daß das Vertrauen ein wesentliches Moment
des Kreditbegriffes bilde, hat die Volkswirtschaftslehre die Einteilung in Personal-
und Realkredit übernommen, ihre Bedeutung, die mit der Entwicklung des
Kreditwesens wirtschaftlich völlig verändert, ja geschwunden ist, aber häufig ver-
kannt. Für die Form der Sicherstellung sind heute Imponderabilien, wie
notorischer Wohlstand des Schuldners und genaue Kenntnis seiner Verhältnisse
durch den Gläubiger, das Ergebnis kaufmännischer Auskunsterteilung, glaub-
hafter Nachweis der Vermögensverhältnisse des Schuldners, häufig auch Rück-
sicht auf Kostenersparnis und Einfachheit des Verfahrens bei der Kreditgewährung,
die Eigenart des Geschäftsbetriebes des Darleihers, die Liquidität und der
Umfang seiner Mittel, bestimmend. Nicht die Form der Sicherstellung kann die
Grundlage für eine wirtschaftliche Einteilung der Kreditarten bilden. Auch die
Betonung des Vertrauensmoments beim Personalkredit, welches ursprünglich
die Aufnahme der juristischen Einteilung in die Volkswirtschaftstheorie begründet
hatte, paßt nicht mehr in die gegenwärtige Entwicklung hinein. Der erste
Grundsatz der Kreditwirtschaft lautet heute: Ohne Vermögenswerte kein Kredit.
Je besser das Unterpfand ist, desto weniger Vertrauen ist nötig. Kreditfähigkeit
wird durch das Vorhandensein von Vermögenswerten; Leistungswilligkeit des
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